|Frankfurt, 23. Dezember.
Mein lieber Freund,
Ich habe Deine lieben Nachrichten lange vermißt und war sehr froh, wieder ausführlich
von Dir zu hören.
Wenn Du die »
Beatrice« drucken läßt, werde ich
sie hoffentlich bald zu le
sen bekommen. Wie
stehen die Aufführungs-Chancen beim
Burgtheater? Und wie in
Berlin?
Deutsches Theater oder
Schauspielhaus? Vielleicht wird es eine meiner er
sten Aufgaben
sein, über
eine
Première von Dir zu berichten. I
st der »
Reigen«
schon gedruckt? . . . .
In den Fragen
Wassermann und
Schwarzkopf beharre ich durchaus auf meinem Standpunkte.
Wassermann brauchte das betr.
Concert nicht zu übergehen, wenn er
son
st die Gewohnheit gehabt hätte, über
Concerte zu berichten. Da er das aber fa
st nie thut,
so i
st die Herausgreifung die
ses
× unbedeutenden
Concertes aus der ungeheuren Fülle der
Wiener Concerte
schon
an sich eine ungerechte Bevorzugung; und wenn auch das Lob, das er dem
Concertgeber spendet, an
sich
nicht übertrieben i
st,
so wird es übertrieben durch den Tadel gegenüber einem anderen
×× viel bedeutenderen
Concertgeber, mit dem
W. es verbunden hat. Was
Schwarzkopf anlangt,
so kenne ich
seine bedeutenden Vorzüge.
Hirschfeld wäre trotzdem der be
ssere Berichter
statter, weil er zu allem Anderen
auch die Mu
sik umfaßt und weil er
|etwas lebendiger und farbiger
schreibt als
Schw. Eine Theilung der Berichter
stattung unter die
Beiden i
st,
nach den bei der
Frankf. Zeit. be
stehenden
Einrichtungen, unmöglich. Daß ich die Intere
ssen der
Frankf. Zeit. vor Allem zu vertreten habe, weiß ich, auch ohne daß Du es mir
sag
st, und ich würde
f×× Schw. niemals
einget empfohlen haben, wenn ich
irg auch nur einen Augenblick hätte annehmen mü
ssen, er würde als Corre
spondent
den Intere
ssen der
Zeitung
nicht ent
sprechen. Es handelt
sich hier um zwei ungefähr gleich würdige
Candidaten, und
wenn irgendwo,
so
×i× kann hier das Per
sönliche interveniren. Ich per
sönlich fühle mich, bei aller
Sympathie und Freund
schaft
sür
Schw., doch mehr zu
H. hingezogen. Von Dir weiß ich das Umgekehrte.
Oder vielmehr ich weiß, daß es Dir lieb wäre, wenn
Schw. die
Stelle bekäme. Darum
schrieb ich Dir, ich würde »Dir zuliebe« in die
ser Richtung wirken. Nachdem Du die
ses »Dir zuliebe« abgelehnt ha
st,
habe ich, wie ich Dir
schon
schrieb,
××× mich jeder weiteren Einwirkung auf die Angelegenheit enthalten. . . .
Näch
ste Woche gehe ich nach
Berlin. Das heißt,
wenn ich Geld aus
Wien bekomme. Die
N. Fr. Pr. benimmt
sich
|(im
Vertrauen ge
sagt) in
skandalö
ser Wei
se. Ich habe den
Leuten ge
schrieben, daß ich von der
Frankf. Zeit. keinen Gehalt mehr beziehe und daß
sie mir
infolgede
ssen meinen Januar-Gehalt vorauszahlen möchten.
Das i
st vor zehn Tagen ge
schehen, und ich habe bis heut nicht einmal eine Antwort bekommen. So
sitze ich hier ohne Geld in
den ab
scheulich
sten Schwierigkeiten, die durch die Weihnachtszeit und das Jahresende
nur noch vermehrt werden. Wenn ich das
sehe und auf der andern Seite das Bedauern
con
statire, mit dem die
Redaktion der
Frankf. Zeit. und das
Publikum meinen Weggang begleiten, –
so reut mich bereits der gefaßte Ent
schluß. Auch
graut mir vor der neuen
schweren Arbeit, – vor dem neuen
Blatte und dem neuen Publikum. Ich bin
so
müde! Und in die
ser Muthlo
sigkeit habe ich nur den
einen Wun
sch: mich aus all’
diese den endlo
sen Kämpfen und Sorgen durch eine reiche Heirath zu retten. Aber auch
dazu i
st es leider
schon zu
spät.
Meine
Mutter zieht mit mir.
Sie muß mitziehen, weil ich
son
st nicht für ihren Unterhalt
sorgen könnte. Und
sie
wäre
so gern hier geblieben bei ihrem
Enkelchen, in der
stillen freundlichen
Stadt.
|Bitte, theile mir die
Berliner Adre
sse von
Fräulein G. mit, – wenn Du
wün
sche
st, daß ich
sie auf
suche.
Ich hoffe Dich bald in
Berlin zu
sehen.
Heute wünsche ich Dir von Herzen frohe Weihnachten und
ein glückliches neues Jahr.
Meine
Mutter und meine
andern Verwandten erwidern Deine Grüße und bitten mich, Dir ihre Feiertagswün
sche zu
übermitteln.
Eben
so bitte ich Dich, mich Deiner Frau
Mutter, Deiner Frau
Schwester, Deinem
Bruder und Deinem
Schwager zu empfehlen und ihnen ein frohes Fest zu
wün
schen.
Von Herzen Dein
Paul Goldmann