Paul Goldmann an Arthur Schnitzler, 11. 12. [1899]

|Frankfurt, 11. Dezember.

Mein lieber Freund,

Vielen Dank für Deine interessanten Mittheilungen! Daß Bahr gegen Dein Stück intriguirt, ist ein Zug, der ganz zum Charakterbilde dieses Burschen paßt. Wenn Schlenther Dich auf die Aufführung Deiner zwei Einakter warten läßt, so rächt er sich, nach Art gemeiner Naturen, für die Demüthigung, die er im Streit mit Dir über den »Kakadu« erlitten.
Im Falle Wassermann, in welchem, wie Du sagst, die »Frankfurter Zeitung« durchaus im Unrecht ist, ist die »Frankfurter Zeitung« durchaus im Recht. D’Albert’s Compositionen sind mittelmäßige Leistungen. Das wissen wir hier und das hat Niemand bestritten. Frankensteins Compositionen sind |ebenfalls mittelmäßige Leistungen, die sich vielleicht auf demselben Niveau, eher sogar ein wenig tiefer halten. Es geht aber absolut nicht an, in derselben Kritik d’Albert ganz zu verwerfen, Frankenstein hingegen ihm gegenüber zu loben, mag das Lob noch so eingeschränkt sein. Namentlich in dieser Zusammenstellung liegt die Fälschung des Urtheils. Und wenn diese Kritik noch dazu von einem Mitarbeiter eingesandt wird, der seine Berichterstattung bisher stets in einer ans Gewissenlose grenzenden Weise vernachlässigt hat, – wenn derselbe Berichterstatter, der die Aufführungen der Duse mit vier Zeilen abthut, dem Frankenstein-Conzert, dessen Bedeutungslosigkeit in der Wiener Conzertfluth klar genug ist, einen |ganzen Bericht  widmet, so liegt ohne jeden Zweifel das Bestreben einer persönlichen Dienstleistung vor, und keine anständige Zeitung wird es sich von einem Herrn Wassermann gefallen lassen, daß er, der sonsssäumig in seinen dienstlichen Obliegenheiten sich zeigt, gleich mit der Feder bei der Hand ist, wenn es gilt, einem Bekannten eine Reklame zu machen.
An Schwartzkopf werde ich keinen liebenswürdigen Brief schreiben. Ich schätze und verehre ihn, wie Du weißt. Aber Hirschfeld steht mir näher und ist auch ohne jeden Zweifel in seiner ganzen Art geeigneter, die Berichterstattung für die »Frankfurter Zeitung« zu übernehmen, obwohl Schwarzkopf sicherlich seine Sache auch sehr gut machen würde. Immerhin |habe ich für Schwarzkopf gewirkt, weil ich meinte, damit etwas Dir zu Liebe zu thun. Im Augenblick wo Du das ablehnst, verliert die Angelegenheit alles Interesse für mich, und ich werde mich fortan jeder Einwirkung enthalten.
Viele treue Grüße!
Dein
 Paul Goldmann.
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