Seit dem Empfang Deines letzten lieben Briefes, de
n↓r↓ nach meiner Rückkehr aus
Prag eintraf,
will ich Dir
täglich schreiben, und täglich muß ich
darauf verzichten. Es i
st unbe
schreiblich, was jetzt wieder Alles an Arbeit, Be
suchen
etc. auf mich ein
stürmt. Ich bin Dir
sehr dankbar, daß
Du meine Antwort nicht abgewartet und mich abermals heut durch Deine lieben Nachrichten erfreut ha
st. Die
ser Bernhardiner muß herrlich
sein. Ich
freue mich
schon
sehr darauf, ihn kennen zu lernen.
|Was Du über
Hirschfeld schreib
st, i
st
sehr
schön ge
sagt. Die Freunde und »literari
schen Kritiker«, die
den unentwickelten
Burschen,
de
ssen Sentimentalität
sie für Poe
sie nehmen, zum Dichter ausge
schrieen haben, haben
allerdings viel Schuld an dem jämmerlichen Ende, – aber doch nicht die einzige. Wer
im Stande i
st, ein flaches Machwerk, wie den »
Weg zum
Licht« zu
schreiben, in dem auch nicht die lei
se
ste Spur von Per
sönlichkeit
steckt, der hat eben niemals eine Per
sönlichkeit gehabt. Denn das i
st vollkommen
ausge
schlo
ssen, daß man aus einem Dichter
|plötzlich
ein Flachkopf wird. Der »
Weg zum Licht« i
st
nicht verfehlt,
sondern complet talentlos. Das i
st ein Unter
schied.
Servaes Feuilleton über
Klinger,
hat das ich eben gele
sen, hat mir
sehr gut
gefallen. Aber i
st auch das Urtheil richtig? Oder i
st wieder ein
Secessions-Schwindel dabei? Ich kann es mir allerdings kaum
denken; ich ahne etwas Großes, wenn
Klinger einen
Beethoven gemacht hat.
Ich habe die Idee, etwa zehn meiner Theater-Feuilletons, die
sich mit
Hauptmann und
seinen Anhängern be
schäftigen,
|zu
sammeln
und als Kampf-Buch unter dem ironi
schen Titel »
Die neue Richtung« herauszugeben. Glaub
st Du, daß ein
solches Buch
Le
ser finden würde? Oder hängen Theater-Feuilletons nicht doch zu
sehr mit dem Tage
zu
sammen, als daß
sie in ein Buch hineingehörten? Die Idee kam mir, da ich neulich
wieder hörte, wie
sehr die
Hauptmann-Clique hier mich haßt. Man hat einer
Dame Vorwürfe gemacht, daß
sie im Theater freundlich mit mir ge
sprochen hat! Wenn ich
sehe, daß man mit
solchen Mitteln eine kün
stleri
sche Überzeugung
|bekämpfen will,
so habe ich den Drang, meine
Überzeugung nur um
so
stärker zu betonen.
Was Du mir vom Tode der armen
Elsa Marktbreiter schreib
st, i
st ergreifend. Aber
was war es nicht eine Erlö
sung? Freilich, das i
st
auch eine dumme Phra
se. Erlö
st i
st man doch nur, wenn man
weiß, daß man erlö
st i
st.
Ich habe Deiner Frau
Mutter
nicht kondolirt, weil ich nicht weiß, ob die Verwandt
schaft nahe genug war, um eine
Condolenz zu rechtfertigen. Wenn ja,
so
|kondolire,
bitte, in meinem Namen.
Und die
se arme hüb
sche
Grethl Mandl! Wie, um Himmels Willen, i
st das
so plötzlich
gekommen? Sie hat mir in
Pörtschach noch
so gut gefallen. I
st Aus
sicht auf Heilung vorhanden?
Hast Du zu arbeiten
angefangen? Denkst Du an das Lustspiel? Ich weiß, Du wirst über diese meine Frage
wieder sehr aufgebracht sein, aber Du mußt mich schon entschuldigen, wenn ich unseren
einzigen D Dramatiker, der h××××× Humor hat, hier und da danach frage, |ob er
nicht ein Lustspiel schreiben möchte? Du wirst wieder sagen: »Es fällt Dir↓mir↓ nichts ein.« Aben Aber das Schreiben Schreiben wäre sehr einfach, wenn wir nur das
zu schreiben brauchten, was uns einfiele
einfällt.
Wie geht es
Olga? Grüße
sie herzlich
st von mir. Ich
schreibe ihr näch
stens – jawohl, ganz gewiß,
näch
stens!
Lies’
Hehn:
Gedanken über Goethe, namentlich den Auf
satz
Goethe und das Publikum. Eine Fülle
intere
ssanten Materials in einem wundervoll klaren
|Styl mitgetheilt. Der einzige Fehler i
st
, ein
irr
sinniger Anti
semitismus.
Kanner war
hier. Ich
soll
zur »
Zeit« als Feuilleton-Redakteur kommen
,↓.↓ Burgtheater und
Volkstheater sind allerdings
schon an
Burckhardt vergeben. Ich
sollte al
so nur Redaktions
-Kuli↓-Kuli↓ sein und eine rie
sige Büreauarbeit lei
sten: Kleines und großes Feuilleton,
eine Sonntagsbeilage
etc. Ich glaube nicht, daß ich unter
die
sen Um
ständen annehmen werde, – um
somehr als meine
Mutter nicht nach
Wien |mitkommen würde
.↓ und ich meinen Hausstand auflösen
müßte.↓ Ja, wenn ich verheirathet wäre,
so wäre das Alles anders. Ha
st Du noch immer
keine Parthie für mich?
Friedjungs Buch werde ich le
sen. Jetzt
stecke
ich in
Grätz »
Geschichte der Juden« (Volksausgabe in drei Bänden). Ein tau
sendfach anregendes
Buch. Mußt Du le
sen. »
Francesca da Rimini« hat
mich bodenlos gelangweilt.
Schreib’ mir bald wieder, |mein lieber Freund, und sei vielmals und von Herzen gegrüßt von
Deinem
Paul Goldm