Paul Goldmann an Arthur Schnitzler, 1. 4. [1902]

Carl Seltmann. Prag, 1. April.
Telegramm-Adresse:

Mein lieber Freund,

Ich habe einige angenehme Tage verlebt in einer schönen Stadt mit lieben Menschen. Morgen fahre ich wieder heim.
Ich habe viel von Dir gesprochen. Salus (ein kluger und sympathischer Mensch unter einer Schicht von Affektirtheit) läßt Dich und Richard grüßen. Ebenso Teweles und Bondy, Mutter und Tochter.
Alice ist ein schönes Mädchen geworden und auch geistig gereift. Ich war ein Thor ohnegleichen, daß ich sie nicht geheirathet habe. Sie wäre die Frau gewesen, wie ich sie mir immer ausgedacht habe. In der Kunst, die Gelegenheiten zu versäumen, ist mir Keiner über. Sie hat sich als Bräutigam eine Art Kraftmensch ausgesucht, der mir |sehr unsympathisch ist. Aber es ist ganz natürlich. Très-femelle, wie sie ist, hat ihr Instinkt sie zu dem Gegenpol très-mâle geleitet.
Von der »Neuen Freien Presse« höre ich hier so viel Schlechtes und von der »Zeit« so viel Gutes, daß ich in schweren Sorgen heimfahre.
Wie geht es Dir, mein lieber Freund? Es thut mir unendlich leid, daß ich Dir nicht habe die Hand drücken können. Die Leute sprechen hier nicht nur mit Liebe von deinem Talent, sondern auch mit Respekt von Deinem (künstlerischen und moralischen) Charakter.
Schreib’ mir nach Berlin. Was macht Olga? Grüße sie vielmals.
In den Böhmerwald werde ich mit Euch leider nicht gehen können. Aber ich rechne sicher darauf, Euch  in Berlin zu sehen.
Viele treue Grüße! Dein
 Paul Goldmann
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