Telegramm-Adresse:
Mein lieber Freund,
Ich habe einige angenehme Tage verlebt in einer
schönen
Stadt mit lieben Men
schen. Morgen fahre ich wieder heim.
Ich habe viel von Dir ge
sprochen.
Salus (ein kluger und
sympathi
scher Men
sch unter einer Schicht von Affektirtheit)
läßt Dich und
Richard grüßen. Eben
so
Teweles und
Bondy,
Mutter und
Tochter.
Alice i
st ein
schönes Mädchen geworden und auch gei
stig gereift. Ich war ein Thor
ohnegleichen, daß ich
sie nicht
geheirathet habe. Sie wäre die Frau gewe
sen, wie ich
sie mir immer ausgedacht habe. In
der Kun
st, die Gelegenheiten zu ver
säumen, i
st mir Keiner über. Sie hat
sich als
Bräutigam eine Art
Kraftmensch ausge
sucht, der mir
|sehr
un
sympathi
sch i
st. Aber es i
st ganz natürlich.
Très-femelle, wie
sie i
st, hat ihr In
stinkt
se× sie zu dem
Gegenpol très-mâle
geleitet.
Von der »
Neuen Freien Presse« höre ich hier
so
viel Schlechtes und von der »
Zeit«
so viel
Gutes, daß ich in
schweren Sorgen heimfahre.
Wie geht es Dir, mein lieber Freund? Es thut mir unendlich leid, daß ich Dir nicht
habe die Hand drücken können. Die Leute
sprechen
hier nicht nur mit Liebe von deinem Talent,
sondern auch mit
Re
spekt von Deinem (kün
stleri
schen und morali
schen) Charakter
).
Schreib’ mir nach
Berlin. Was macht
Olga? Grüße
sie vielmals.
In den
Böhmerwald werde ich mit
Euch leider nicht gehen
können. Aber ich rechne
sicher darauf,
Euch an in
Berlin zu
sehen.
Viele treue Grüße! Dein
Paul Goldmann