Paul Goldmann an Arthur Schnitzler, 16. 1. [1902]

Berlin, 16. Januar.

Mein lieber Freund,

Diesmal hast Du mich, wie ich glaube, mißverstanden. Deine Standrede hat mich überrascht, weil mein letzter Brief ganz harmlos gemeint war. Aber ich mag nicht darauf erwidern. Ich habe keine Zeit zur Polemik; ich schreibe lieber an dem Feuilleton über Deine Stücke weiter. Bin ich wirklich so kolossal empfindlich? Ich finde, es ist bequem, irgendwelche Differenzen durch die Empfindlichkeit des Anderen zu erklären. Man erspart sich selbst dadurch jedes Gefühl der Verantwortung. Aber es gäbe vielleicht auch eine andere Erklärung. Beispielsweise die, daß von Dir zu mir nicht Alles in Ordnung ist – vielleicht schon seit Jahren nicht in Ordnung ist. Außer über meine Empfindlichkeit solltest Du auch darüber einmal nachdenken.
Du hast gewünscht, wir sollten grob zu einander sein. Bin ich grob genug? Aber lassen wir es dabei |bewenden. Diese Diskussionen führen zu nichts.
Ich wäre Dir sehr dankbar, wenn Du Trebitsch bewegen könntest, von der Lorenzaccio-Übersetzung abzusehen. Vielleicht mache ich mich doch noch einmal an diese Arbeit.
Kanner, der in Berlin weilt, war bei mir. Die Umwandlung der »Zeit« in ein Tagesblatt ist beschlossene Sache.
Alice Bondy zeigt mir ihre Verlobung mit einem Dr. Ziegler an.
Es thut mir unendlich leid, daß Olga sich so plagen muß. Versichere sie meiner herzlichsten Antheilnahme und grüße sie vielmals.
Auch Du sei von Herzen gegrüßt.
Dein
 Paul Goldm
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