Fondateur M. L. Sonnemann.
Journal politique, financier,
commercial et littéraire.
Paraissant trois fois par jour. Paris, 19. Januar.
Mein lieber Freund,
Ich kann Dir nur in aller Kürze für Deinen lieben Brief danken; denn ich habe
unmenschlich viel zu thun.
Mein
Schwager hat die
verrückte Idee gehabt, ich könnte
Schlenthers Nachfolger bei der
Vossischen Ztg. werden, und ich glaube, man hat
sogar Dich in der Angelegenheit belä
stigt. Sei nicht bö
se deßwegen!
Von meinen Projecten für die näch
ste Zukunft
steht die Rei
se nach
China im Vordergrund. Es wäre gar herrlich, in
Wien wieder mit Euch zu leben. Aber denke an den Sumpf des
Wiener Journalismus.
|Was
soll
ich da machen? Was kann ich dort werden? Das i
st ein Boden, auf welchem Sumpfplanzen
wie
Bahr gedeihen, nicht ich. Da heißt es,
seine Sehn
sucht bezwingen und
stark
sein.
Ich lernte hier den
Prof. Singer kennen. Braver Mann. Aber durchaus unkün
stleri
sch und auch unper
sönlich; i
st
ganz von
Kanner hypnoti
sirt; und i
st
schon
sehr »
Zeitungs-Herausgeber«, welcher durchdrungen davon i
st, daß
die »
Zeit«
Österreich und auch ein wenig die Welt regiert.
Wie
stehts mit »
Freiwild« und Deinem neuen
Stück?
Schlenthers Amtsantritt ändert natürlich
nichts an der That
sache, daß Dein
Stück bald ge
spielt wird? . . . . .
|Mit dem kleinen
Fräulein in
Prag hat die Sache ein jähes Ende genommen. Ich bekam ihre Photographie. Ich war
gerade
sehr ein
sam und das Bild war
sehr lieb. Das ging mir tief zu Herzen, und ich
machte einige Ver
se. Seit ich die
selben abge
sandt, i
st die Corre
spondenz abgebrochen.
Das thut mir
sehr weh,
v vor Allem wegen des Affronts, der darin liegt. Ich
sende Dir anbei die Ver
se. Es i
st jetzt hier
so viel von
Sachver
ständigen die Rede; ich rufe Dich als
Experten an,
und Du
soll
st mir
sagen, ob das, was ich da ge
schrieben habe, verletzend oder taktlos
i
st. Bitte,
sende mir die Ver
se zurück. Ich komme mir recht ekelhaft vor, daß ich
so
mein volles Herz zu Markte trage und es einer Jeden anbiete. Aber ich habe ein
solches
|Bedürfniß nach Zärtlichkeit, welches das
Leben mir noch nicht ein einziges Mal befriedigt hat. Überall werde ich
zurückge
stoßen und bleibe ein
sam und voll unerfüllter Sehn
sucht.
Raté auch hier,
er
st recht hier. Kurzum, ich will nach
China.
Grüß’ Dich Gott, liebster Freund! Schreib’ mir bald!
Dein treuer
Paul Goldmann
Viele Grüße an Deine
Freundin!