Fondateur M. L.
Sonnemann. Paris, 24. Juni.
Journal politique, financier,
commercial et littéraire.
Paraissant trois fois par jour.
Mein lieber Freund,
Eben bekomme ich Deinen lieben Brief. Nur ra
sch ein paar Zeilen. Mit Deinen Urtheilen
über die ge
sandten Druck
sachen – es i
st wirklich zu viel Mühe, daß Du mir lange darüber
schreib
st – bin ich
Wort für Wort einver
standen. Du mußt bedenken, daß
|ich Dir kunterbunt durcheinander
schicke, was mir intere
ssant er
scheint – Einiges
wegen
styli
sti
scher Schönheiten oder origineller An
schauungen – Anderes wieder nur,
weil es ein beachtenswerther Ab
surditäts-Fall i
st (z. B.
Rochefort).
d↓D↓er Fall
Wilde empört mich
schon lange. Das
engli
sche Zuchthaus begreife
ich
|übrigens zur Noth, das
sind dumme heuchleri
sche
Bourgeois, in
England – damit hat man
sich
abgefunden. Aber da gibt es die
sen
Kerl, den
Dr. Nordau, der nach dem Urtheil an
französische und
deutschs Blätter Briefe richtet, um zu
sagen: man möge nur in
seinem Briefe
nachle
sen, wie er das Schick
sal
Wildes voraus
|berechnet – um al
so
aus dem Schick
sal die
ses
Bemitleidenswerthen sich eine Reklame für
seinen Dekadenz-Schwindel zu
machen.
Das macht mir das Blut kochen – da möchte ich
losprügeln können mit Fäu
sten und Stiefel-Ab
sätzen.
Über einen
franzö
si
schen
Verleger
aus einer Aufführung
|in
Paris denke ich
seit Empfang Deines letzten lieben Briefes nach. Das wird aber
schwer
sein. Die
Pariser Verleger
sind noch
schlimmeres
Ge
sindel als die
deutschen. Die
deutschen zahlen nur nichts,
die
franzö
si
schen verlangen,
daß man ihnen
|zahlt. Wär
st Du dazu bereit? Eine
Aufführung wäre eher möglich –
aber er
st
nach einer
Aufführung in
Berlin oder
Wien, nicht
zugleich. Wir reden noch darüber. Ich hab’ die Sache
schon lange im Auge und hab’
auch
schon einige Schritte gethan.
|Das i
st aber immer noch nicht der große Brief – nur
ein paar ra
sche Worte, ehe die
Ka Kammer beginnt. Darum
schreibe
ich nicht über allerlei Per
sönliches, das ich läng
st berühren möchte.
Es wäre mir eine große Freude, könnt’ ich Dich im Sommer
sehen; aber ich möchte keine
|Störung bringen in Deine Rei
se-Pläne.
× Ich muß nach
Toelz gehen u. muß dort vier Wochen bleiben. Das i
st nicht weit von
Muenchen. Wie machen wirs al
so?
Rei
se glücklich, lieb
ster Freund! Ich weiß, wie gern Du hinausfähr
st, und freue mich
für Dich. Laß’ die
Hypochond |Hypochondrien in
Wien! Die Welt i
st
schön, und Du bi
st jung und ein glücklicher
Men
sch, – ja, glaub’ mir, ein glücklicher Men
sch.
Ich höre wohl Deine Unterwegs-Adresse.
Burckhardt i
st unglaublich. Es wäre
|sogar
schon komi
sch, wenns Dich nicht gerade träfe.
Aber auch ich bin fe
st überzeugt: das
Stück wird aufgeführt.
Dem
Fuchs that
st
oh Du Unrecht. Er i
st kein
Concordia-Literat mehr,
sondern ein lieber, neidlo
ser, treuer, einfacher
Mensch, der alt wird und gut
wird. Als Men
sch
|tau
sendmal mehr werth, wie
Herzl.
Herzl schreibt einen Roman.
Was macht
Ric Richard? Schreibt er was? Und
sehe ich ihn?
Die
Übersetzung von »
Sterben« i
st nicht übel. Dank für die
Zu
sendung.
|Bahr hat hierher ge
schrieben, um die Unter
schriften der
franzö
si
schen Schrift
steller-Welt
zur zum Verlangen einer Aufführung eines
Goldschmidtschen Musik-Dramas zu erhalten, das er, wenn ich nicht
irre, als das größte die
ses Jahrhunderts bezeichnet. Man hat ihn
ausgelacht
. Aber i
st das nicht ekelhaft?
Grüß’ Dich Gott, mein lieber Freund, und schreib’ mir bald.
Dein treuer
Paul Goldmann.