Fondateur M. L.
Sonnemann.
Journal politique, financier, Paris, 19. Mai.
commercial et littéraire.
Paraissant trois fois par jour.
Mein lieber Freund,
Gewiß, gewiß –
seit ich von
Frankfurt zurück bin,
liegt es mir
schwer auf der Seele. Täglich will ich Dir
schreiben. Aber ich habe
unmen
schlich zu thun.
Lie Lie
st Du die »
Frankfurter Zeitung« noch? Jeden Tag kann
st Du es
sehen:
Salon,
Kammer,
Tannhäuser,
Japan etc. etc. Und dann
schreibe ich Dir nicht, weil ich endlich
das Bedürfniß
|fühle, Dir den
großen Brief zu
schreiben und Dir gar
soviel zu
sagen haben:
Innerliches, nichts äußerlich Neues. Nun muß ich aber doch
mit noch einmal den kurzen Brief ab
senden. Heut Sonntag Nachmittag wollte ich Dir ausführlich
schreiben. Ich blieb eigens
deshalb zu Hau
se. Da kam wieder die
se verfluchte Tagesarbeit dazwi
schen. Nun i
st es
sieben Uhr, und es bleibt mir nur Zeit zu einem
|ra
schen Gruß.
Gruß und Dank! Für
soviel Treues und Liebes habe ich Dir zu danken.
Eure Karte vom
Kahlenberge, die
Photographie, Deine lieben Briefe haben mich
so innig erfreut! Es thut mir
so wohl,
daß Ihr und Du be
sonders an mich denk
st, daß ich mich ein wenig bei Euch weiß. Die
se
kleinen Gaben bewegen mich
sehr –
sie rühren mich (wenn das nicht
|so ein dummes Wort wäre). Dank, tau
send Dank!
Daß
Ihr mit Frau
Andreas Freund geworden
seid, i
st
so gekommen, wie ich es erwartet. Sie gehört zu uns.
Denn
sie i
st ein lieber, feiner und ehrlicher
Mensch. Und ich weiß aus Erfahrung, wie wohl der Umgang mit
die
ser
Frau thut!
Klimati
sche Wirkung – das
sag
st Du
sehr gut. Aber nun i
st Eines zu beachten:
|Die
se
Frau, die
so ganz unper
sönlich wirkt – manchmal
so wie
ab
soluter Ver
stand und ab
solute Wahrheit – hat eine heiße Sehn
sucht, aus die
ser
Ver
standes-Sphäre herauszukommen. Sie will
Weib sein,
will lieben und geliebt werden. Und wenn
sie aus dem Ab
soluten ins Men
schliche
nieder
steigen wollte – in den Tag hinein, wie
das die
er
ste be
ste kleine
|Nähterin – wenn ich Weibliche
r↓s↓ an ihr merkte –
des douceurs, des chatteries – Weibliches, das
so gar nicht zu ihr gehört (obwohl
sie
auch nicht unangenehm männlich ist) – dann war
sie
im
mir immer verhaßt. Jawohl, ein nervö
ser Haß! Gegen die
se
Frau, die mir
so viel Gutes gethan, wie
Wenige auf
a der Welt! Die an mich geglaubt! Die
sich
die Mühe genommen hat, an
|mich zu glauben! Es i
st
ab
scheulich! Aber zu Zeiten haßte ich
sie, ich muß es Dir
sagen. In einer gewi
ssen
Entfernung
war s hatte ich eine große Verehrung für
sie. Je näher
sie mir kam, um
so weniger
sympathi
sch wurde
sie mir.
Nun wohl, die
Frau weiß mit
ihrem unfehlbaren Ver
stande
sehr wohl, daß
sie die
se unper
sönliche Wirkung ausübt.
»Klimatischer
|Einfluß«, man kann es nicht be
sser
sagen.
Sie will aber
per
sönlich wirken – als Weib wirken. Und das i
st nun die Tragödie ihres Lebens.
Daß
sie
sich zu
Euch
hingezogen fühlt, ver
stehe ich
sehr gut. Sie hat
sich für mich intere
ssirt, weil ich
ein Typus war, den
sie noch nicht kannte: warm, melancholi
sch, weich und
wiene überhaupt
wieneri
sch. Und nun findet
sie
bei
Euch die
sen
|Tys Typus in
seiner Vervollkommung, während ich doch
nur An
sätze dazu habe. Und gerade das i
st es, wonach
sie sich
sehnt: die
ser Gemüthston, in dem
soviel warmes Leben i
st. . . . . . . .
Nach
Kopenhagen kann ich nicht kommen.
Ich muß im Augu
st nach
Tölz, zur Kur. Werde ich Dich
sehen? Du wir
st
|Dich
natürlich in Deinen Plänen durch mich nicht
stören la
ssen.
×××× Kopenhagen mußt und
soll
st Du
sehen. Aber vielleicht ließe
sich doch eine Vereinbarung
treffen für die Rückrei
se.
Ich
sende Dir anbei wieder einige Artikel. Be
sonders in der »
Revue Blanche« mache ich Dich aufmerk
sam auf die
Vertheidigung des
Oscar Wilde durch
Paul Adam. Ferner
sende ich Dir ein
|dummes
Stück »
L’amour s’amuse«, das
nicht zu le
sen i
st. Aber es i
st von
Ibels illustrirt, einem neuen
Künstler, de
ssen
selt
same Art Dich intere
ssiren wird. Den »
Courrier Francais«
sende ich Dir nur wegen der
Zeichnung von
Willette in der Mitte des
Heftes. Endlich mein
Salon-Feuilleton. Ich habe es haupt
sächlich für
Dich ge
schrieben und,
sowenig es mir gefällt, möchte
|ich doch daß Du es lie
st.
Grüß’ Dich Gott, mein lieber Freund! Grüße
Richard und die Frau
Andreas.
Schreib’ mir bald!
Und nächstens bekommst Du den großen Brief!
Ich umarme
Dich von Herzen
Dein
Paul Goldmann.