Paul Goldmann an Arthur Schnitzler, 24. 11. [1902]

Berlin, 24. November.

Mein lieber Freund,

Der Beifall, den Du in so gütigen Worten meinem Feuilleton spendest, hat mich innig erfreut, und ich Danke Dir von Herzen dafür.
Dein lieber Brief, den ich Samstag empfing, ist nicht besonders erfreulich. Warum so mißgelaunt? Wer wird sich so vom Wetter abhängig machen? Und wenn es gegenwärtig mit dem Produziren nicht recht geht, so wird schon |wieder ein produktiver Zustand kommen. Der Geissammelt eben neue Kraft.
Was ist mit der »Beatrice« und dem »Deutschen Theater«?
Die Bücher, die Du mir empfiehlst, möchte ich gern lesen; nur wird die Erfüllung dieses Wunsches an dem Umstande scheitern, daß ich die Namen zumeist nicht lesen kann. Insbesondere von Demjenigen, den Du mir ans Herz legst, habe ich trotz eifriger Bemühung nicht mehr herausbekommen können, als daß er mit L. |anfängt.
Hast Du Dir die »Maximes de la Vie« der Comtesse Diane kommen lassen? Noch schöner vielleicht ist das Livre d’or von derselben, – ein entzückendes Spiel des Geistes und zugleich eine Quelle tiefer Lebensweisheit.
Was Sudermann anlangt, bin ich durchaus Deiner Ansicht. Vielleicht ergreife ich in dem Streit noch das Wort, obwohl mir Andere gerade das, was ich sagen möchte, weggeschrieben |haben. Kerrs Erwiderung war zum Theil hübsch in der Form, aber der Gesinnung nach lausbübisch, wie überhaupt ein Lausbuben-Zug immer stärker bei ihm hervortritt. Harden war, im ersten Theil seiner Erwiderung, viel bedeutender; im zweiten spricht er zu viel und zu eitel von sich.
Fräulein Eva F. ist hier. Ich habe sie einmal gesehen und in den ersten fünf Minuten den Eindruck gehabt: »Es ist unmöglich.« Es ist beinahe eine physische Antipathie, die ich nicht werde überwinden können.
Grüße Heinrich und seine Mutter und sei Du selbst vielmals gegrüßt
von Deinem
Paul Goldmn
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