Paul Goldmann an Arthur Schnitzler, 28. 12. [1902]

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Frankfurt a/M. 28. Dezember.

Mein lieber Freund,

Ich habe Wochen verstreichen lassen müssen, ehe ich für Deinen lieben Brief, der mich ganz besonders erfreut hat, weil er so viel Schönes über Dich selbst enthielt, auch nur danken konnte. Eine das gewöhnliche Maß noch weit übersteigende Häufung von Arbeit (Du wirssie ja selbst in der N. Fr. Pr. beobachtet haben) war die Ursache. Hier in Frankfurt, wo ich, meiner Gewohnheit gemäß, die Zeit von Weihnachten bis Neujahr verbringe, finde ich endlich die |Muße, Dir zu schreiben. Freilich, der ausführliche Brief, den ich plante, kommt wieder nicht zu Stande. Und das geschieht deshalb nicht, weil ich so Fürchterliches hier erlebe, daß ich nicht fähig bin, zu schreiben. Meine Beziehungen zu der Frau, die Du kennst, haben in diesen Tagen ihr Ende gefunden. Durch meine Schuld: Denn als ich vor drei Monaten allerlei Klatsch über sie erfuhr, stieß ich sie fort. Sonst issie immer wiedergekommen. Diesmal aber habe ich ihr offenbar schwer Unrecht gethan. Und das Schlimmste: es war ein Tröster bei der Hand. Gestern erhielt ich den Abschiedsbrief: »Lebe wohl! Du hasschlecht an mir gehandelt! Ich kann Dir nicht verzeihen. Ich habe einen Besseren gefunden!«
Und das Entsetzliche ist, daß ich sie jetzt liebe, – liebe, wie ich sie nie geliebt habe. Und daß in meinem armen Leben nirgends ein Ersatz ist und nie mehr sich finden wird. Ich erinnere mich nicht, jemals so gelitten zu haben. Am Tage die Erinnerungen auf Schritt und Tritt – Nachts die Marter |der Gewissensvorwürfe!
Liebster Freund! Verzeih’ mir, daß ich Dir nicht mehr, – daß ich Dir nicht über Dich schreibe. Entschuldige mich auch bei Olga, der ich von hier aus für ihren lieben Brief danken wollte.
Ich wünsche Euch Beiden ein glückliches neues Jahr!
Viele treue Grüße!
Dein
 Paul Goldmann.
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