Paul Goldmann an Arthur Schnitzler, 16. 6. [1902]

Berlin, 16. Juni.

Mein lieber Freund,

Ich habe mich sehr gefreut, wieder von Dir zu hören. Die Budapester Reise muß recht interessant gewesen sein. Hat sich Brahm über die »Beatrice« entschieden? Wenn er die »Monna Vanna« von Maeterlinck gibt, muß er auch die »Beatrice« geben können. Dein Stück laß’ nur ruhig noch warten, bis Du ordentlich Lust bekommst, es zu schreiben. Daß Du kurze Geschichten schreibst, gefällt mir sehr. Ich glaube, auf diesem Gebiete ist viel für Dich zu holen.
Daß sich der Vater der Mädels |verheirathet hat, ist zugleich komisch und gemein. Dieser Hundsfott! Wie hat sich die Geschichte mit dem Advokaten abgewickelt?
Was Liesl anlangt, so bitte ich Dich, einmal mit einem Donnerwetter dazwischenzufahren. Den an mich gerichteten Brief von Löwenfeld hast Du wohl gelesen? Ich schließe daraus, daß eine Möglichkeit des Engagements am Schillertheater besteht, wenn man nur ein wenig nachhilft. Ich bin gern bereit, nachzuhelfen und den persönlichen Besuch zu machen, zu dem er mich auffordert. Aber vorher muß ich wissen, ob Liesl ihm geschrieben hat, nachdem sie mir bereits |einmal vorgeschwindelt hat, sie habe ihm geschrieben, ohne es gethan zu haben. Ich warte also auf Antwort und bekomme keine. Veranlasse doch, daß die junge Dame sich aufrafft und zur Feder greift, und sage ihr, bitte, in meinem Namen, daß ich wüthend bin und daß man mit solch’ einer verfluchten Schlamperei keine Engagements bekommt!
Grüße Olga recht herzlich. Ich hoffe, sie übt die Löweschen Balladen (Tom der Reimer, Heinrich der Vogler). Wenn ich nach Wien komme, will ich sie vorgesungen haben.
|Meine Pläne bleiben einstweilen die alten: Zwischen 20. u. 25. Juli Wien, dann Trafoi. Von Fräulein F. erhalte ich hier und da einen Brief. Aber das Schreiben ist eine dumme Sache. Die Fäden sind abgerissen. Sie schreibt mir übrigens, daß sie öfter mit Salten zusammen ist.
Schreib’ mir bald wieder und sei vielmals und von Herzen gegrüßt!
Dein
Paul Goldmnn
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