Paul Goldmann an Arthur Schnitzler, 22. 3. [1897]

Fondateur M. L. Sonnemann.
Journal politique, financier,
commercial et littéraire.
Paraissant trois fois par jour. Paris, 22. März.
Bureau à Paris

Mein lieber Freund,

Hast Du schon Nansens  Artikel Dir übersetzen lassen? Er ist ungemein lieb und herzlich geschrieben und sehr ehrenvoll für uns Alle, insbesondere natürlich für Dich.
Je näher die Zeit heranrückt, wo ich Dich hier wiedersehen werde, mit umso größerer Freude denke ich daran. Hab’ nur keine Furcht, daß ich mich werde von Arbeit Deinetwegen abhalten lassen. Die Arbeit läßt mich hier einfach nicht los, wenn sie einmal da ist. Ich denke, wir werden namentlich am Abend beisammen sein können, und oft auch am Tage. | Die Hotel-Zimmer werde ich miethen, sobald Du mir Deine Ankunft anzeigst. Nur möchte ich auch eine kleine Idee von dem Preise haben, den Du zu zahlen gedenkst. Nenne mir ein Maximum: etwa 8 bis 10 Francs pro Tag und pro Zimmer, also 16 bis 20 Francs pro Tag? Ich hoffe, ich bekomme es billiger, aber ich will doch wissen, wie weit ich im Nothfall gehen darf?
Welche Unannehmlichkeiten es im Gefolge haben sollte, wenn Ihr unter Eurem wahren Namen Euch im Hotel einschreibt, ist mir dunkel. Ich kenne nur Fälle, wo es für Leute | Unannehmlichkeiten im Gefolge gehabt hat, weil sie unter salschen Namen abgestiegen sind. Die Polizei hat auch in Paris nichts dagegen, daß ein Mensch seinen wahren Namen führt.
Auch bei der Idee, mir Virginia-Cigarren zuzusenden, erkenne ich Dich wieder. Vielleicht gar in einem recommandirten Briefe? Wisse denn, oh Freund, daß in Frankreich das Tabaks-Monopol besteht. Jede Einfuhr ausländischer Cigarren ist verboten. Privatleute müssen, um Cigarren-Sendungen aus dem |Auslande empfangen zu dürfen, eine besondere Import-Erlaubniß vom Finanz-Ministerium haben. Du kannst Virginia-Cigarren nur so nach Frankreich bringen, daß Du sie selbst mit Dir nimmst. An der Grenze sagst Du dann, daß Du Dich zwei Monate in Frankreich aufhalten willst und für diese Zeit Dich mit Cigarren versehen willst. Diese Cigarren verzollst Du dann (was eine Unsumme Geldes kosten wird). Oder aber, wenn Du Courage hast, (die hast Du aber wahrscheinlich nicht), |ssagst Du gar nichts und versuchst die Cigarren einfach durchzuschmuggeln.
Dein Bicycle sollst Du gewiß mitnehmen. Die Umgebung von Paris ist eigens für Bicycle-Touren geschaffen. Du wirst hier zahllose und herrliche Ausflüge mit Deiner Maschine machen können . . . . .
Traurig ist es, daß Du Dir Dein junges und schönes Leben durch ein Bischen Ohrenklingen verbittern läßt. Für mich ist das gerade ein Beweis Deiner | Gesundheit. Denn wenn Du irgend ein ernstes Leiden hättest, so könntest Du nicht auf das Ohrenklingen achten. So concentrirt sich darauf all’ Deine hypochondrische Grübelei, die sonst, Gott sei gelobt, kein Sujet in Deinem Organismus findet. Laß’ es doch klingen, zum Teufel, und denke nicht daran! Wenn Du nicht Medicin studirt hättest, würdest Du gar nicht darauf achten!
Nun erfahre ich wohl bald den genauen Tag Deiner Ankunft. |Das wird schön werden!
Traurig ist nur, daß ich zu Ostern auf 10 bis 14 Tage nach Frankfurt muß. Nach Nizza gehe ich nicht mehr.
Wie hat »Liebelei« eigentlich in Kopenhagen gefallen?
Sei von Herzen gegrüßt und schreibe bald!
Dein treuer
Paul Goldm
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