Lieber, dass wir eine Radtour machen könnten, ist mir heute wie ein
absoluter Muß! Es wäre so schön 6–8 Tage irgendwo – durch die Welt zu gleiten, wo
sie
schön ist, und wo man wieder einmal so viel Behagen empfinden könnte, wie »einst im
Mai«
. Denken Sie etwas Gutes aus, und ziehen Sie dabei in
Betracht, ob wir nicht eine Gegend wählen wollen, die wir noch nicht kennen.
Deutsches Gebirge,
Thüringen,
Rhein, u. s. w. Ich bin aber auch mit
Tirol oder
Schweiz (
Lugano oder
Genfer See) einverstanden. Ihr Brief kam heute aber auch a
tempo: es ist
seit↓nach↓ langem Winter wieder die erste Frühlingswärme, die erste Sonne wieder da,
und alle Reisepläne, alles Reiseverlangen – »Wanderlust« – regt sich. An solchen
Tagen hat auch
Berlin seine Schöhheit. An solchen
Tagen würde übrigens auch
Magdeburg oder
Genthinen nicht ohne Reiz sein. Ich überlege mir
heute zum 20
ten Mal, wie man es macht, sich ein ganz ein
kleines Automobil zu kaufen. Geht aber leider im Moment nicht. Wenn ich die große
Zeitung gegründet habe,
Neue freie Presse in
Berlin, eine Wochenschrift im
Zukunft-Stil und dann vier Blätter regiere, statt zwei (was
ich armselig finde)
, dann werde ich gewiss auch das langerflehte
Auto haben. Inzwischen freu ich mich, wenn nur eine Radtour zustande kommt, und die
übrigen Dinge, die ich für den Sommer vorhabe (
Holland, zu Wasser nach
Kiel)
, die Radtour könnte auch durch einige deutsche
Städte gemacht werden, –
Rothenburg ob. d. Tauber
–
Bayreuth, wozu man freilich jetzt schon die
Sitze bestellen müsste. Das
dänische Seebad, das
Sie vorhaben, verdrießt mich – wenn ich aufrichtig sein darf – immer. Weil ich . . aus wirthschaftlichen Gründen . . nicht hinkann, wenn ich schon einmal an der
Ostsee sitze, und weil ich mir denke, wenn uns ein mehrwöchiges
Beisammensein schon beschieden sein könnte, dann ließe sich vielleicht doch auf
Dänemark verzichten. Der Unterschied ist nicht
so groß, und Wälder gibt's auch am diesseitigen Strand der
Ostsee.
Augenblicklich ist
Wien durch M
r Triebeitsch vertreten, der in seinem
Premierenfieber wegen
Shaw das Maß des
lächerlichen erreicht. Seine erste Frage, als er hier eintraf, war (natürlich per
Telefon) was ich von seinem
Vorschlag in der »
Schaubühne« halte. Ich sagte, dass ich dagegen
sei. Er ließ seinen erstaunten Klagelaut vernehmen, und meinte dann,
|Sie hätten ihm einen »begeisterten« Brief
geschrieben. Ich bin wirklich nicht sehr für diesen Vorschlag, der nur aus der
Seidenbranche kommt; glaube an Ihre »Begeisterung« natürlich nicht, und halte die
ganze Sache für unwichtig. Auch die Dienstboten betrügen uns, und man denkt nicht
daran, sie abzuschaffen. Es fragt sich immer nur, um wie viel die Agenten die Autoren
übervorteilen. Und das ist im Ganzen nicht gar so erheblich.
Heute schrieb mir
Bahr, dass er
Sonntag Abend auf zwei Tage herkommt. Das ist mir weitaus angenehmer.
Sonst bin ich ziemlich allein; kann mir zu
Harden kein Herz faßen seit jenem
Artikel und hab ihn seither
auch nicht gesehen noch gesucht. Heute – es ist überhaupt ein lebhafter Tag –
telefonirte mir Ihre
Schwägerin wegen einer Schiffskarte. Ich bat sie, dieser Tage zu uns zu
kommen, damit wir alles genauer besprechen.
Hier lege ich Ihnen das zweite
Russenfeuilleton bei, und das über
Kater Lampe.
Herzliche Grüße von uns zu Ihnen.
Ihr
Salten