Lieber, die Radpartie, ja, wenn ich heute nur wüßte, wie und was in drei, vier Wochen sein wird.
Ich fürchte, die Radpartie wird sich nicht machen laßen. Vorläufig nämlich ist es
beschloßen, dass ich am 20. od. 21. nach
Madrid
fahre, zur
Königshochzeit. Da
käme ich erst am 10. Juni wieder zurück, weil ich
natürlich
Toledo,
Sevilla,
Cadiz,
Tanger,
Gibraltar,
Granada mitnehme, und der
Weg zurück über
Lissabon führe. Da gäbe es dann
– ausser dem contractlichen Urlaub – keine Absenz mehr. Und die vier Wochen im Juli will ich still an einem Fleck sitzen, Tennis spielen
und arbeiten. (Ich bin im Begriff, die
Herzl-Biographie zu
übernehmen, was ich mir als eine Art von Denkmal-Portrait sehr schön denke.) Mit dem
Seebad ist das so: wir müßen doch im Juni schon aufs
Land, der
Kinder
wegen.
Otti und die
Kinder gehen Juni, Juli, August, bis Mitte September an die
See. Da wird eine Wohnung
genommen und Wirtschaft geführt. Möglichst nahe, damit ich über Sonntag einmal hin,
Otti manchmal zu mir in die
Stadt kommen kann. Also
Bansin,
Swinemünde oder
Heringsdorf.
Deshalb kann ich dann für den Juli nicht alles nach
Skodsborg
verlegen. Es ist einfach eine Sache des Geldes. Und bin ich selbst frei, möchte ich
doch bei den
Kindern sein.
Wenn sich die
spanische Reise
nun doch nicht macht, schreibe ich Ihnen rechtzeitig wegen der Radtour.
Mein Brief an
Hugo mit der starken Verstimmung
gegen
Berlin datirt weit zurück, war im März noch geschrieben, während er in
Italien war. Seither hat sich die Sache genau um die
Frühlingssonne verbessert. Ich schreibe selten, weil ich mit organisatorischen
Arbeiten beschäftigt bin, weil ich productiv einiges componire, und die
Stadt noch zu wenig als
publizistische Anregung fühle. Es würden Reisebriefe werden, und das wäre falsch.
Ich
bin froh, dass mich meine Selbstcontrolle
|vor solchen Verfehlungen ebenso
wie vor allzufrühen, taktlosen Vertraulichkeiten mit dieser
Stadt bewahrt.
Wie
Herr Wenzel aufgenommen wird, bin ich
neugierig. Es ist das erstemal, dass ich eine Novelle von mir in der Correctur ohne
Desperation und tiefe Niedergeschlagenheit lesen konnte.
Mein Verkehr hier? Ab und zu
Heimann,
Jakobsohn. Dann
Rittner. Und
Fischers, die mir aus der Nähe immer sympathischer werden. Selten
Reinhardt und seine Leute, manchmal
Bie (sehr lieb und fein) und
Poppenberg, zwei, drei lange Gespräche mit
Kerr; fast garnicht mehr
Harden. Dazwischen die Gesellschaften, denen sich nicht ausweichen läßt. Bei
meinem
Schwager Musikleute:
Safonoff,
Godowski,
Nikisch,
Kreisler. Hie und da eine ärgerliche, manchmal eine nette
Stunde mit Frau
Fulda. Das ist alles; ist
genug, ist – gelegentlich sogar zu viel. Ich will lieber lesen, will jetzt viel, sehr
viel lesen; lerne ein bischen spanisch und gehe mit
Otti im
Thiergarten spazieren, wo es –
unglaublich aber wahr – gerade jetzt einfach märchenhaft schön ist.
Otti läßt Frau
Olga um Entschuldigung bitten, weil sie ihren lieben Brief
noch nicht beantworten konnte. Sie hat sich erst die linke Hand verbrannt, und kaum
die halbwegs gut war, wieder die rechte verbrüht. Da wir nicht hoffen, dass sie jetzt
wieder von vorne anfängt, rechnen wir darauf, dass sie bald wieder den Gebrauch all
ihrer Gliedmaßen erlangt. Die
Kinder sind reizend, und wir alle grüßen
Sie alle aufs Herzlichste.
Ihr Salten
NB. Heute sahen wir
Ludaßy in der
Friedrichstraße. Wir haben sehr gestaunt, weil wir dachten, er sei – wie
lange schon! – gestorben.
D
r Ginsberg
schrieb mir sehr entzückt über die freundl. Aufnahme bei Ihnen. Vielen Dank!