Arthur Schnitzler an Felix Salten, 27. 5. 1902

|27. 5. 902
lieber, ich freue mich sehr über den guten Eindruck, den Sie von der Novellette in d. N. Fr. Pr. haben; was mir eigentlich selten passiert, – ich war selbst ein bischen unsicher im Urtheil. Dassie Schwarzk. nicht mag, ist ziemlich verständlich; – der Einwurf Goldm.: es handle sich um Liebe, kaum discutirbar; Richard u Hugo scheinen sie im ganzen gut zu finden, aber |wie mir schien, mit einigem innern Widerstand. Olga gefiel sie, als ich sie ihr vorlas, besonders gut; – die gedruckte hat sie aber enttäuscht. Meine Bedenken gehen nach der Seite des männlichen . .  ich finde eben kein andres Wort – Helden. . . , wo mir was zu fehlen scheint. Der Titel kommt mir, selbst nach jedem Überdenken Ihrer Einwände, nicht un|glücklich vor. Dass Sie als der erste den Schluss nicht als Pointe empfinden, sondern wohl im Gegentheil gerade als den Ausklang ins ungewisse, ferne, mit Notwendgkeit weiterflutend, behrt mich besonders angenehm. –
Paul G. ist wieder fort; die Martin Finder Sachen sind ihm höchlich aufgefallen; – er hat sich gefragt: Was kommt da für ein |»Nachwuchs« – er ist es, der in d N. Fr. Pr. mit lebhaftester Betonung von Ihnen sprach, worauf Bened. meinte, er dächte schon lange Zeit an Sie . . .  Das will natürlich nicht viel heißen; aber ich glaube, wenn Sie zu irgendwelchen Schritten sich entschlössen (über die natürlich noch gesprochen werden muss), so wären hier die Chancen, mindestens materiell günstiger als bei der Zeit. Obwohl |Kanner zu P. G., der auch dort von Ihnen redete, geäußert hat: »Er wird ja für uns schreiben.« –
Kainz will durchaus im »Weg zum Licht« spielen; u Schlenther dürfte es daher aufführen (So Brahm.) Es ist recht lächerlich, dass ein solcher Künstler den Hahngikl dem Bentivoglio vorzieht; aber es liegt wohl recht tief. – Dem Deutsch Theater geht es hier ausgezeichnet. – Der Kakadu ist |bei Antoine acceptirt. – Über die Bea. spricht Brahm kein Wort. – Ich überdenke und scenire mein Stück u übe mich indess weiter im Erzählen!
– Sagen Sie mir doch etwas über Ihre Reise, Ihre Arbeiten, Ihre Laune. Dass Hugo ein ganz kleines Kind bekommen hat, Christiane genannt, wissen Sie wohl schon. – Heute |hatten wir beinah einen »Frühlingsabend« – lau, ohne Wind und Regen, man fasst es kaum. – Rochefort wird gegen Schluss matter; ich beschäftige mich ein weniges mit Botanik und denke wieder manchmal mit Wehmut, wie faul ich mein Leben lang war, und auf wie viel besserm Grund ich |stehen könnte, wenn ich nicht gar sspät auf mich aufmerksam geworden wäre.
Leben Sie wohl. Grüßen Sie Florenz, die Mediceer Gräber, den Garten hinter dem Kloster zu Fiesole und Veronika; – und Bern grüßt den andern Hund.
Herzlichst Ihr
 A.
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