Paul Goldmann an Arthur Schnitzler, 13. 10. [1895]

Fondateur M. L. Sonnemann.
Journal politique, financier,
commercial et littéraire. Paris, 13. October.
Paraissant trois fois par jour.
Bureau à Paris

Mein lieber Freund,

Nochmals innigen Glückwunsch!
Jetzt, nachdem ich einige Referate gelesen, sehe ich erst, wie groß Dein Erfolg ist, was aus Deiner Depesche nicht klar genug hervorging. Wie ich die Sache ansehe, bist Du jetzt lancirt. Nach dem Wiener Erfolge werden die Berliner bald mit dem Stücke herauskommen. Dort wird es einen nicht minder großen Erfolg haben und eine noch intelligentere Kritik finden (Mauthner im »Tageblatt«). Dann wird |es über alle deutschen Bühnen gehen. Wenn Du ruhig so weiter arbeitest – und ich weiß, Du wirst es thun – kann am Ende ein deutscher Emile Augier daraus werden. Der erste entscheidende Schritt auf diesem Wege ist gethan, und ich bin recht glücklich darüber, daß Dich gleich zu Anfang der Erfolg an der Hand nimmt; das ist ein guter Führer. Wenn ich übrigens »Émile Augier« sage, so gilt dies nur einstweilen, und ich behalte mir vor, im Laufe der Zeit, je nachdem die Dinge sich entwickeln, |noch viel unbescheidener zu werden. Immerhin bedenke nur: In so jungen Jahren am ersten deutschen Theater mit dem zweiten Stücke ein von allen ernstzunehmenden Leuten laut anerkannter Erfolg! Das ist etwas, was Du in der deutschen Bühnengeschichte selten finden dürftest. Es scheint wirklich, daß Du zu schönen Hoffnungen für die Zukunft berechtigst, wie einer der weisen Männer sich ausdrückte, die über Dein Stück geschrieben haben.
|Ich habe gelesen die Referate von: Speidel (prachtvoll), Kalbeck (die ersten sympathischen Zeilen, die ich von dem Manne lese), Schoenthan (der vor Bühnendichter-Neid zerspringt); ferner das Referat des »Wiener Journal« (verständnißlos, aber mit Einzelheiten, die aussöhnen), endlich Granichstaedten, das widerliche Thier (Ohrfeigen!!!). Uhl in der »Frankfurter Zeitung« hätte wärmer und ausführlicher sein können; ich vermuthe, daß es ihn |verstimmt, weil die Officiellen (Speidel etc.) Dich loben. Auch ist er wohl von denen, die Jemanden fördern, – bis er einen Erfolg hat, die aber sofort von dem Erfolge selbst unsympathisch berührt werden. Eine echte Oppositions-Natur mit einem Worte. In Berliner Blättern las ich das kurze, aber sehr freundliche Telegramm des »Tageblatt«, das sehr warme Telegramm des »Lokalanzeiger« und |das blödsinnig-freche Telegramm des »Kleinen Journal« (Correspondent Herr Conried vom »Neuen Wiener Tagblatt«), das Dich einen Mann aus der Hermann Bahrschen Schule nennt.
Den Abend der Première verbrachte ich mit Th. Wolff (vom »Berliner Tageblatt«) und sah fleißig auf die Uhr. Um neun Uhr meinte ich, Dein Schickfal müsssich wohl entschieden haben, und da schlug Wolff vor, auf Dein |Wohl anzustoßen, Was geschah.
Die Meinigen, mein Onkel, meine Mutter, mein Schwagersind, wie mir heut meine Mutter schreibt, hocherfreut über Deinen Erfolg und lassen Dir von Herzen gratuliren.
Am Tag nach der Première, nachdem ich Dein Telegramm erhalten, fuhr ich zur »Liberté« und zu den »Débats« und bat um eine Notiz. Beide Blätter haben die Bitte mit großer |Liebenswürdigkeit erfüllt. Ich sende sie Dir anbei; stoße Dich nicht an die Unrichtigkeiten, die Du in den Notizen findest; ich habe ihnen die Geschichte zwar genau erklärt, aber sie haben doch geschrieben, was sie wollten; das isso Pariser Art. Jedenfalls aber mußt Du Dich bedanken; das ist hier so Sitte. Zuerst mußt Du Deine Visitkarte mit der Aufschrift: remercie bien vivement M. Fierens-Gevaert de son amabilité |schicken an: M. Fierens-Gevaert, du »Journal des Débats«, Rue des Prêtres – St. Germain l’Auxerrois, Paris. Eine zweite Karte sendest Du an M. Aubry, de la »Liberté«, 10. Rue Camou, Paris. Hier mußt Du schon etwas wärmer schreiben, da Aubry ein sehr herzliches Interesse für Dich bezeigt, sich eine mörderische Mühe |gegeben hat, um die von seiner Frau übersetzte »Kleine Komödie« in gutes Französisch zu bringen (die Übersetzung ist infolgedessen vortrefflich) etc. Du schreibst also vielleicht auf Deine Karte: remercie M. Aubry du très-bel article au sujet de la »Liebelei«, le remercie en outre de toute la peine, qu’il s’est donnée pour la traduction de la »Petite comédie«, le remercie en un mot de toute son amabilité charmante et espère |de lui serrer un jour la main en ami, soit à Paris, soit à Vienne . . . . .
So, da hast Du wieder ein wenig Arbeit.
Nochmals, vielen Dank für Dein Telegramm! Danke auch Richard für das seinige! Und sei von Herzen gegrüßt!
Dein
Paul Goldmann.
Bitte, empfiehl’ mich Deiner Frau Mama und sag’ ihr, ich lasse ihr zu ihrem Sohne gratuliren.
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