Paul Goldmann an Arthur Schnitzler, 15. 6. [1894]

|Frankfurter Zeitung.
(Gazette de Francfort).
Fondateur M. L. Sonnemann.
Journal politique, financier, Paris, 15. Juni.
commercial et littéraire.
Paraissant trois fois par jour.
Bureau à Paris:
24. Rue Feydeau.

Mein lieber Freund,

Ich bin sehr beschäftigt. Darum nur wenige Zeilen.
1.) Wärmsten Dank für Deinen lieben Brief aus Muenchen. Er erklärt Manches und läßt Manches im Unklaren. All’ das ist sehr schwer brieflich abzumachen. Auch das, was mich erregt, läßt sich kaum so niederschreiben. Ich möchte mit Dir sprechen, aber vielleicht ist es am Besten gar nicht mehr darüber zu |reden. Die Dinge müssen ihren Lauf gehen.
2.) Hast Du die »Revue Blanche« erhalten.
3.) Können wir im August zusammenreisen? Bitte, antworte mir umgehend, denn ich muß jetzt bereits anfangen, eventuelle Vorkehrungen zu treffen.
4.) Was weißt Du von Muenchen zu erzählen? Hast Du den Altdorfer gesehen, von dem ich Dir schrieb? Wie gehts Dir gesundheitlich?
|5.) Herzl, den ich verschiedentlich von Dir gegrüßt, läßt Dich verschiedentlich wieder grüßen. Desgleichen Henri Albert. Ich habe dieser Tage den Bürsten-Abzug der »Emplettes de Noël« gesehen, die in der »Idée Libre« erscheinen werden, da die andern auf Monat und Jahr hinaus keinen Platz haben.
6.) Lies »Caligula« von Quidde!
7.) Viele treue Grüße!
Dein
Paul Goldmann
    Bildrechte © Deutsches Literaturarchiv, Marbach am Neckar

    Muenchen] Zwischen 2. 6. 1894 und 8. 6. 1894 hielt sich Schnitzler in München auf.

    »Revue Blanche«] Die wohl für den Mercure de France gedachte (siehe Paul Goldmann an Arthur Schnitzler, 29. 5. [1894]) Besprechung von Schnitzlers Schauspiel Das Märchen erschien in der Revue blanche: Henri Albert: Les Lettres allemandes. Drames Nouveaux. In: La Revue Blanche, Jg. 6, Nr. 32, Juni 1984, S. 556–560, hier S. 560. Dem Tagebuch ist zu entnehmen, dass Schnitzler die Besprechung las (vgl. A. S.: Tagebuch, 11. 6. 1894).

    im August zusammenreisen] Von 23. 8. 1894 bis 3. 9. 1894 verbrachten Schnitzler und Goldmann einige Zeit gemeinsam in Bad Ischl und Bad Aussee.

    schrieb] siehe Paul Goldmann an Arthur Schnitzler, 1. 6. [1894]

    Bürsten-Abzug] Probeabzug

    »Emplettes de Noël«] Henri Alberts Übersetzung von Schnitzlers Anatol-Einakter Weihnachts-Einkäufe

    in … erscheinen] Arthur Schnitzler: Les Emplettes de Noël. Übersetzt von Henri Albert. In: L'Idée libre. Revue mensuelle de Littérature et d'Art, Jg. 3, Nr. 5–6, Mai–Juni 1984, S. 215–225. Am 21. 7. 1894 notierte Schnitzler in seinem Tagebuch: »Schlecht übersetzt.« Albert gegenüber dürfte er aber ein anderes Urteil geäußert haben, denn dieser antwortete ihm in einem Brief am 6. 8. 1894: »Dass Ihnen meine Uebersetzung so gut gefallen hat, hat mich hoch erfreut.« (DLA, HS.1985.1.2331,3)

    Lies … Quidde!] Eine Lektüre der kleinen Studie über den Cäsarenwahn durch Schnitzler, die von den Zeitgenossinnen und Zeitgenossen als Schmähschrift gegen Wilhelm II. gelesen wurde, ist bislang nicht belegt.