Paul Goldmann an Olga Gussmann, 10. 5. [1901]

Berlin, 10. Mai.

Liebes Fräulein Olga,

Haben Sie vielen herzlichen Dank für das schöne Bild! Es soll mir ein lieber Besitz sein. Diese Wiener Photographen sind doch mehr Künstler. Man bekommt nach diesem Bilde wirklich ein lebendige Vorstellung von Ihnen, und Ihre Persönlichkeit issehr reizvoll darin ausgedrückt.
Mit Dank sende ich Ihnen die Zeitungausschnitte zurück. Bahr hat, |wie gewöhnlich, Blech geschrieben. Das spürt man heraus, wenn man auch die Vorstellung selbst nicht gesehen hat. Ich freue mich, daß Alles gut gegangen ist. Auf die N. Fr. Pr. bin ich neugierig. Oder ist das Referat vielleicht schon erschienen und habe ich es übersehen?
Ob ich Sie im Sommer wiedersehen werde, weiß ich noch nicht. Jedenfalls kann ich nur im August auf Urlaub gehen, |und auch dann will ich nicht herumreisen, sondern irgendwo festsitzen, etwa am Wörthersee. Ich bat Arthur  deshalb, daß er mit Ihnen im August an den Wörthersee kommen möge. Wenn das nicht geht, sehen wir uns hoffentlich auf meiner Rückreise in Wien.
Sie selbst werden mit Arthur gewiß einige schöne |Sommermonate verleben. Lassen Sie alle trüben Gedanken zu Hause und genießen Sie die schöne Welt, die ja überhaupt nur dann wirklich schön ist, wenn man Jemanden neben sich hat, den man liebt. Auch der Naturgenuß kann nur aus dem Herzen kommen; und das Herz bleibt ungerührt, wenn nicht eine Liebe es bewegt. Es gibt keine schönen Landschaften (ohne Liebe nämlich).
Seien Sie herzlichst gegrüßt von Ihrem ergebenen
Dr. Paul Goldmann.
    Bildrechte © Deutsches Literaturarchiv, Marbach am Neckar