Paul Goldmann an Arthur Schnitzler, 14. 10. [1900]

|Berlin, 14. Oktober.

Mein lieber Freund,

Heut am Sonntag habe ich endlich ein paar Minuten frei zu einem Briefe an Dich.
Die »Fackel«. Was willst Du von dem Lausbuben? Offen gestanden, ich hätte noch Schlimmeres erwartet. Im Übrigen hat Burckhardt in der »Zeit« das wahre Wort geschrieben: die Leute rächen sich jetzt an Dir, weil sie Dir haben applaudiren müssen. Auf das Gesindel im Allgemeinen war niemals zu rechnen. Ob die Aktion sonst wirkungslos geblieben, wird sich zeigen. Welche Wirkung hätte |denn auch kommen sollen? Die Hauptsache war, daß der Herr Schlenther eine Antwort auf sein unerhörtes Benehmen bekam. Und den schlechten Ruf, den er ohnedies hat, hat diese Affaire nur noch vergrößert. Er hat’s gespürt und wird’s noch weiter spüren. Diese Affaire, mag man sagen, was man will, ist ein Grund mehr für seinen Weggang vom Burgtheater. Selbst hier, wo man ihn für einen Gott hält, hat sie ihm geschadet. . . . . 
Dein »Ohrenleiden«. Darauf weiß ich nur eine Antwort: Heirathen. Ich schwöre Dir: wenn Du Frau |und Kinder haben wirst, wirst Du Dich weniger mit Deinem Ohre beschäftigen; und wenn Du Dich weniger damit beschäftigen wirst, wirst Du weniger darunter leiden.
Mit Lindau werde ich bei nächster Gelegenheit wegen Salten sprechen.
Kerr sehe ich sehr selten. Wenn wir uns sehen, sprechen wir sehr freundschaftlich miteinander. Er steckt tief in seinem Liebeswonnen und strebt der Erfüllung seiner Wünsche zu, was mit großen |Kämpfen verbunden scheint. Aber er wird es schon durchsetzen. Er und das Mädel scheinen sich sehr zu lieben, und das ist die Hauptsache.
Ich bin mit dem Hause M.-C. vollkommen auseinander. Diese ganze Geschichte hat für mich mit einem großen Ekel geendet, – einem Ekel namentlich vor der »Gesellschaft«, vor diesen Leuten, die Einen nicht verstehen und die Einen zur Tafel ziehen als Hanswurst. Aber wehe, wenn man versuchen will, auch einmal sein Leben zu leben! |Im Übrigen hat die Kleine ja ganz recht gehabt, und ich bin fett und grotesk und nicht fähig, Liebe einzuflößen. Ich habe mich in die Arbeit gestürzt, um das Alles zu vergessen.
Brandes ist hier und erzählt mir viel von seinen Liebesabenteuern. Dieser Tage kommt auch seine Tochter.
Nach Breslau zur Aufführung der »Beatrice« möchte ich unendlich gern fahren. Ich habe das hier mit meinem Collegen Fuchs besprochen, und |er sagte mir: »Ja, fahren Sie nur! Aber den Direktor Löwe dürfen Sie nicht tadeln; er ist bei uns persona gratissima.« Also, ich setze den Fall, die Aufführung könnte den Aufgaben des Stückes nicht gerecht werden (was ich befürchte), so werde ich das nicht sagen dürfen, oder man wird es mir streichen. Unter diesen Umständen ist es wirklich besser, nicht hinzugehen und die Berichterstattung dem Direktor Löwe zu überlassen, der selbst an die N. Fr. Pr. |zu telegraphiren pflegt und unter allen Umständen das Beste sagen wird.
Grüße mir die strebsamen Fräulein aus der Rothen-Stern-Gasse und theile mir deren genaue Adresse mit (Name und Hausnummer), damit ich ihnen mein Buch schicken kann.
Die Glümerinnen sind wieder beieinander, und Frl. Mizzi hat neulich |einen sehr schönen und sehr verdienten Erfolg gehabt bei Publikum und Kritik. Auch sie sehe ich selten, und ich lebe, eingesponnen in Arbeit, ein ödes und nutzloses Leben.
Was macht Richard? Keine Möglichkeit, von ihm eine Antwort zu bekommen.
Schreib’ mir bald und sei von Herzen gegrüßt!
Dein
 Paul Goldmnn
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