Paul Goldmann an Arthur Schnitzler, 8. 10. [1899]

Mein lieber Freund, Ich habe lange unentschlossen hin und her geschwankt, ob ich nach Wien kommen soll. Der Abschied von Florenz fällt mir unsagbar schwer, und ich wäre gern noch acht Tage geblieben. Der Wunsch, Dich noch einmal wiederzusehen, ehe ich wieder in der großen Arbeit untertauche, hat den Ausschlag gegeben. Allerdings hätte ich heut beinahe noch mein Reise-Projekt rückgängig gemacht, da ich die gestern von Dir erbetene telegraphische Antwort nicht erhielt. Aber ich dachte mir am Ende, daß vielleicht nur ein Communications-Hinderniß vorliegt, und werde morgen also doch nach Venedig reisen. |Dort bleibe ich zwei oder drei Tage und komme dann etwa Freitag nach Wien, um dort mit Dir die letzten acht Tage meines Urlaubs zu verbringen. Immerhin bitte ich Dich, mir sofort nach Empfang dieses Briefes nach Venedig Poste restante zu telegraphiren, ob Dir meine Ankunft am Freitag recht ist.
Ich kann also bei Dir wohnen? Denn mein Reisegeld langt nicht mehr viel weiter als zur Bestreitung der Reise nach Wien und von da nach Frankfurt. Werde ich aber Dich und die Deinigen nicht stören?
Bitte, schreibe an Richard, daß auch er nach Wien kommt, falls er nicht schon zurück sein sollte.
Mir droht ein schweres Unheil: Wie ich aus Frankfurt höre, wird Rottenberg wahrscheinlich an Stelle von |Fuchs nach Wien berufen. Das wäre das Ende.
Viele treue Grüße! Und auf baldiges Wiedersehen!
Dein
Paul Goldmann.
Meine Ankunft zeige ich Dir nach Wien telegraphisch an.
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