Paul Goldmann an Arthur Schnitzler, 11. 10. [1899]

Venedig 11. Oktober.

Mein lieber Freund,

Herzlichsten Dark für Deine Telegramme. Auch das nach Florenz erhielt ich hier. Ich will Freitag Mittag um 2 von hier wegfahren und bin dann Samstag  früh um halb oder dreiviertel acht in Wien. Ich bitte Dich auf das Dringendste nicht zur Bahn zu kommen. Mir ist damit nicht im Mindesten gedient. Du aber müßtest vor 7 Uhr aufstehen, wärest dann den ganzen Tag müde, und ich hätte nichts von Dir. Bitte, laß’ es also bleiben! |Ich finde den Weg schon ohne Dich und komme direkt von der Bahn zu Dir. Es ist mir ohnehin schon äußerst peinlich, so früh bei Euch eintreffen zu müssen; aber es ist der einzig mögliche Zug. Immerhin bitte ich Dich, mich schon im Voraus bei Deiner Frau Mutter zu entschuldigen.
Ich muß so lange hierbleiben, weil ich Depeschen aus Frankfurt erwarte. Dort gehen fürchterliche Dinge vor. Eines der infamsten und gemeinsten Klatschweiber der Stadt hat dem Gemahl Alles hinterbracht, und Alles scheint zu Ende zu gehen. Ich laufe hier herum wie ein Verzweifelter und weiß nicht, was ich anfangen soll.
Viele treue Grüße!
Dein
Paul Goldmann
    Bildrechte © Deutsches Literaturarchiv, Marbach am Neckar