Alle Deine Karten von unterwegs,
sowie Deinen lieben Brief aus
Luzern habe
ich erhalten.
Ich freue mich, zu erfahren, daß der Sommer so angenehm für Dich verlaufen ist.
Hoffentlich bleibt von dem guten Resultat etwas für den Winter zurück. × Ich kann Dich immer nur wieder darauf hinweisen: Wenn Alles, was Dich quält, sich auf Reisen so ganz verliert, kann es doch unmöglich materielle Gestalt haben. Im
Übrigen hoffe ich, daß die viele Arbeit, die Du vorhast, ein gutes Heilmittel gegen
die Hypochondrie sein wird. Schon aus dem Grunde |bin ich sehr froh über alle Deine neuen Pläne, von denen Du schreibst. Aber auch sonst (unberufen!) ist es prächtig, wie sich so V Vieles in Dir regt und wie es aus Dir so reich herausblüht!
Was Du über die Disciplin beim Schaffen
sag
st, i
st
sehr
schön, aber ich meine, es
stimmt nicht. Man
soll
sich nicht
so fatali
sti
sch hin
setzen
, und einfach das aus
sich herausfließen la
ssen, was in Einem liegt. Was in
Dir liegt, i
st zu einem Zehntel vielleicht Natur, zu
neun neun Zehnteln aber das, was Du in Dich hineingelegt ha
st. Der
Schrift
steller i
st doch ein Product aus Natur und aus
sich
selb
st. Er i
st in
fortwährender Entwickelung begriffen; und
|während
er an einem Werke arbeitet,
× arb arbeitet er zugleich eben
so an
sich
selb
st. Gewiß
soll Jeder nur
schaffen, was
er vermag. Aber Jeder
soll auch be
strebt
sein,
im
immer mehr zu vermögen. Gewiß darf Keiner aus
seiner Art herauswollen. Doch in
seiner
Art kann Jeder Alles an
streben, und auf allen Arten kann man zum Höch
sten kommen, wie
ja ja alle Wege zum
selben Bergesgipfel führen.
Bla
se Du nur ruhig Deine Flöte, die
so liebe Klänge gibt. Ich meine
nicht nicht, daß Du auf einmal anfangen
soll
st, die
Geige zu
streichen. Aber ich möchte, daß Du auf Deiner Flöte auch
ein einmal ein
anderes |Lied
spiel
st. Die Gleichni
sse
sind alle fal
sch. La
ssen wir al
so die Gleichni
sse!
Ich meine: Aus Deinen
Novellen sehe ich wieder,
wie ×××××× ×××××× Du wie Du große men
schliche Töne zu finden vermag
st. Nur
steckt das immer in
einer Liebesge
schichte gleich
sam als Epi
sode drin. Warum nicht die Liebesge
schichte
einmal wegla
ssen und das große Men
schliche
al sch allein
schreiben, ohne alle Liebe? Oder mein
st Du
wirklich, daß Du ein »
Erotiker« bi
st, wie die
ses Rindvieh
Lothar geschrieben hat?
Ich bin
schon ungemein ge
spannt auf Dein neues
Stück – mehr auf das
Stück |selb
st, als auf das, was das Publicum dazu
sagt.
Die Idee i
st vortrefflich, und ich
stelle mir ein
sehr zu Herzen gehendes Drama vor. . . . .
Ich bin nun
schon fa
st drei Wochen in
Peking, dem grauenhafte
sten Schmutzne
st der Welt, habe aber manches Intere
ssante
miterlebt, bin auch einmal beinahe dem
chine
si
schen Pöbel in die Hände gerathen, was
sehr
schlecht
hätte ablaufen können. Aber auch die Gefahr hat ihren Reiz – be
sonders
××× nachher. Zugleich i
st
sie eine gute Lection: Man lernt, ruhig und ent
schlo
ssen
sich zu benehmen. Morgen fahre
|ich wieder nach
Tientsin, von da nach
Shanghai zurück. Was dann werden wird, i
st unklar; und dunkel i
st auch, was nach meiner
Rückkehr ge
schehen
soll. In
Wien bleiben? Was
soll
ich in einem
Lande machen, wo
man die Leute ein
sperrt, wenn
sie vor dem Sakrament nicht den Hut abnehmen? Ich
glaube, in vier Wochen wäre ich ausgewie
sen oder im Gefängniß. Und wem fehle ich in
Wien? Dir? Es i
st
sehr lieb, daß Du das
sag
st.
Aber ich
× weiß nicht, ob es gut wäre, wenn wir wieder in einer Stadt
|zu
sammenlebten. Wir kennen eigentlich nur un
sere
guten Eigen
schaften und haben un
sere
schlechten verge
ssen. Wer weiß,
ob ob die
se uns nicht jetzt, wo wir nicht mehr die
Anpa
ssungs-Fähigkeit von ehedem haben,
sehr
stören
und würden. Wer weiß,
was bei wieviel
Trennendes
sich bei einem dauernden Zu
sammenleben zwi
schen uns plötzlich aufrichtig
würde! Und wem fehle ich
son
st in
Wien? Keinem
Men
schen, nicht einmal dem
Richard. Wo
soll überhaupt in die
ser
Stadt für mich ein Platz
sein? Ich kann ihn nirgends entdecken. . . . .
Ich
bat bat Dich
schon, Deine
|lieben Briefe fortan
an meine
Mutter zu
senden,
welche telegraphi
sch meine neue Adre
sse erfahren wird. Ich
selb
st kann Dir
ein
stweilen keine angeben.
Empfiehl’ mich Deiner
Freundin und
sei Du
selb
st von Herzen begrüßt!
Dein treuer
Paul Goldmann.
Bitte,
sage dem
Herrn, der mir die Empfehlung an den
Dr. von Rosthorn über
sandt hat, daß ich keine Zeit hatte,
sie abzugeben. Es liegt mir daran,
daß Du ihm das
sag
st. Ich erkläre es Dir
später einmal.
In einem
franzö
si
schen
Blatte las ich Berichte über den Zioni
sten-Congreß. Das
wird doch ein recht widerlicher Unfug!