Ich danke Dir für Deinen lieben Brief (vom 17. Mai)
und alle die Nachrichten, die er enthält.
Richards Verheirathung hat mich nicht wenig überra
scht. Ich
denke auch, er wird
sein Glück
dann dabei finden, und das i
st ja der einzige Ge
sichtspunkt, unter dem wir die
Sache zu beurtheilen haben.
Aus Deinen letzten Briefen, lieb
ster Freund,
sehe ich nicht ohne Sorge, wie
|unruhig und verdü
stert Deine Gemüths-
Stü↓Stimmung↓ i
st und wie Du, weil es Dir im Ohre klingt, all’ das Herrliche mißachte
st, was
son
st Dein
Leben bietet. Es i
st unerhört, wenn ein Men
sch, wie Du, in der Blüthe des Da
seins,
auf der Höhe des Lebens, das Wort »verzweifelt« aus
spricht. Ich kann mir vor
stellen,
wie lä
stig die Symptome
sein mögen, die Du
schilder
st. Bedenklich
sind
sie in keiner Wei
se
.↓,↓ das weiß ich aus einer be
sseren Quelle, als von Dir
|(
ni nimm’ mir das
nicht übel!). Ich finde, Du bi
st zu nachgiebig gegen Deine Hypochondrie. Krankheit!
Aber um des Himmels Willen, wer i
st nicht krank? Die körperlichen Übel
sind eine
Lebens-Er
scheinung, wie alle anderen, und da
sie nicht zu vermeiden
sind, handelt es
sich nur darum, ihnen nicht zu erlauben, daß
sie gar zu viel Macht
zu über uns gewinnen. Ich ver
sichere Dich, daß man mit
alledem fertig werden kann. Du müßte
st
|Deine
Lebenswei
se ändern, müßte
st nicht zu viel allein
sein, und vor allen Dingen, das kann
ich Dir nicht oft genug
sagen, müßte
st Du aus Deinem
Wiener Trüb
sals-Winkel hinaus in die helle und große Welt. Ich hoffe, die
Sommer-Rei
se wird Dir gut thun; und der Sommer-Rei
se müßte eine Winter-Rei
se folgen; und
dann, hoffe ich, werde ich Dich wieder einmal
sehen
|und Dich recht tüchtig auslachen, daß Du
so
d dumm
bi
st, Dein Leben Dir zu vergrämen, während Du doch, den That
sachen nach, der Frohe
ste
und Ruhig
ste von uns Allen
sein könnte
st und müßte
st. . . . . . .
Am A 15. Mai habe auch
ich in Freundschaft Deiner gedacht. Aber war es wirklich so schön vor einem Jahre? Ich glaube, Du hattest an jenem Abend Kopfschmerzen
und warst verstimmt. Das hast Du schon wieder |vergessen, und so wirst Du wahrscheinlich auch in einem Jahre wieder vergessen
haben, was Dich jetzt quält.
Dein
Buch habe ich gele
sen. Es
sind herrliche Seiten
darin. Der »
Ehrentag« i
st mir das Lieb
ste
daraus. Aber wenn man
schon einmal im Stande i
st, die
se er
schütternde Figur des
raté zu zeichnen, warum das Alles nur gleich
sam als Epi
sode hineinzwängen in eine
Liebesgeschichte zwi
schen
einem Theater-
|Men
sch und
ei einem dü
steren
Poseur von
August? Warum hat nicht die Rohheit des Directors den »
Ehrentag« ange
stiftet,
statt der Eifer
sucht eines Liebhabers? Ich glaube,
das würde die
Geschichte noch
mehr vertieft und vermen
schlicht haben. Ich meine auch, Du
sollte
st Dich jetzt eine
Zeit lang zwingen,
keine Liebesgeschichten mehr zu
schreiben. Tief ergeifend i
st auch der
|»
Abschied«. Nur die letzten zwanzig Zeilen
stimmen
mir nicht recht zum Ganzen
, ich weiß nicht warum? Die »
Frau des Weisen« mag ich nicht, die letzte
Geschichte auch nicht
sehr,
trotz der mei
sterhaften Dar
stellung (
sie i
st doch eine dumme Gans, daß
sie dem Manne Alles
sagt!). Der Erfolg
Deines
Buches freut mich von
Herzen. Er i
st redlich verdient,
|denn ich glaube
nicht, daß
seit Langem in
Deutschland eine
Sammlung so guter Novellen
er
schienen i
st. Du bi
st ein beneidenswerther Men
sch, daß Du zu
solchen Lei
stungen
fähig bi
st. Aber nein, ich vergaß, Du ha
st Ohrenklingen, Du bi
st der Unglücklich
ste
der Unglücklichen!
Mach’ Dich darauf gefaßt, daß meine theure
Tante in der
Frankfurter
Ztg. auf Dein
Buch schimpft.
Welches i
st das
Stück,
|das im Herb
st das »
Deutsche Theater« herausbringen
soll? Sehr traurig oder ein wenig lu
stig?
Viel Handlung? Viel Per
sonen? Viel P
sychologie? Bitte,
schreib’ mir ein Wort darüber.
Ich weiß gar nichts davon.
Ich
sehe viel Selt
sames, aber die Schönheit fehlt in die
sem
Lande. Ich
sehne mich unendlich nach ein
paar Wochen
Italien, nach Palä
sten und alten
Bildern!
|Die Rei
se zieht
sich
sehr in die Länge.
Ich arbeite
schwer, leide un
säglich unter meiner Impotenz
, die
ser neuen Welt gegenüber, habe Wochen lang Kopf
schmerzen, bin nervö
ser
als je und fühle mich
, mehr noch als früher aus dem
Gelei
se geworfen. Heut Abend fahre ich den
Yang-tse hinauf (100 Grad
Fahrenheit im Schatten). Meine
Adre
sse bleibt
Shanghai,
|deutsches Postamt. Bitte,
sag’ dem
Richard, daß ich ihm nach
Wollzeile 15 einen Brief und ein Paket ge
sandt
habe.
Bit Grüße mir Deine
Freundin recht herzlich und
sei
selb
st tau
send Mal gegrüßt
von Deinem treuen
Paul Goldmnn