Paul Goldmann an Arthur Schnitzler, 7. 3. [1898]

Fondateur M. L. Sonnemann.
Journal politique, financier,
commercial et littéraire.
Paraissant trois fois par jour. Paris, 7. März.
Bureau à Paris

Mein lieber Freund,

Ich schicke Dir Herzls Feuilleton zurück. Es hat mich recht sehr amüsirt: Mißgunst, welche von Unverständniß so glücklich unterstützt wird, daß sie beinahe zum guten Glauben wird! Die »größeren Fragen« sind Dir nicht zugänglich, mein armer Freund! Du lebst und producirst im Kleinen und ahnst nicht, daß es hoch über dem Allen den Zionismus gibt. Wenn Du aber wissen willst, wie man auf dem Theater etwas beweist mit »geschlossenen und wetterfesten Gründen«, so kannst Du |das aus dem »neuen Ghetto« lernen.
Geh’, kümmere Dich nicht um das, was so ein Schafskopf schreibt, und geh’ Du nur ruhig weiter Deinen Weg. Ich sehe aus Deinem lieben Briefe, daß Du wieder arbeitslustig bist und voll von Plänen steckst. Sehr schön! Du kannst Herrn Herzl durch nichts einen größeren Schmerz zufügen, als dadurch, daß Du ein neues gutes Stück schreibst. Ich fürchte, wir werden ihm diesen Schmerz nicht ersparen können.
Mein Schiffs-Platz ist genommen. Ab Genua, 5.  April. Aber die Vertretungs-Frage ist nicht geregelt, und die |Sache kann sich immer noch in letzter Stunde zerschlagen.
Mir ist recht unheimlich. Ich glaube, ich komme nicht lebendig zurück. Das wäre aber noch nicht sschlimm, wie die Furcht vor der neuen journalistischen Aufgabe, der ich wohl kaum gewachsen sein werde: In der Hast einer Reise, in einem feindlichen Klima, unter ganz veränderten Lebens-Verhältnissen Eindrücke von Ländern zu geben,  von denen man auch nicht die leiseste Ahnung hat! Mir graust, und ich fürchte, ich werde sehr enttäuschen. Im Übrigen bin ich sicher caput zu gehen. Ich komme durch tropische |Gegenden, und dicke Leute sterben immer am Fieber.
Weißt Du, was schön wäre? Wenn Du so Ende März nach Italien gingest und so um den 5. April herum auch in Genua wärest! Ich möchte Dich gern noch einmal zum Abschied umarmen!
Schreib’ mir bald noch einmal hierher; denn ich fahre vielleicht schon nächste Woche nach Frankfurt.
Viele treue Grüße!
Dein
Paul Goldmn
Schönen Grüß an Deine Freundin!
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