Ich bin für wenige Tage zum Be
such in
Frankfurt,
um der Hochzeit meiner
Schwester beizuwohnen. Mein
Onkel spricht mir natürlich
von Dir, erzählt mir mit wahrem Enthu
siasmus von Deinem
Roman, den er als ein bedeutendes
Werk bezeichnet, und zeigt mir
schließlich Deinen Brief, es tief beklagend, daß
zwi
schen Dich und ih
m↓n↓ etwas getreten i
st, das be
sser nicht da wäre. Dein Brief, mein lieber Freund, i
st
|eben
so an mich gerichtet, wie an meinen
Onkel. Vieles von dem, was Du
zu ihm
sag
st, bezieht
sich auch auf mich. Und ich kann mich von der Schuld nicht
frei
sprechen, ein wenig die Bitterkeit mitveranlaßt zu haben, von der ich Dich
erfüllt
sehe. Objectiv ha
st Du voll
ständig Recht. Nun aber
subjektiv: Gewiß, wenn ein
Men
sch auf der Welt verpflichtet war, über »
Anatol« zu
schreiben,
so war ich es. Das
Buch kam bei mir an in einer meiner
schwer
sten Arbeitszeiten
– Arbeit, von deren Wucht und Depre
s|sionsmacht Du
keinerlei Ahnung haben kann
st. Ich mußte es zurücklegen für
später. Und als dann das
»
später« kam, kam über mich das Unheil, das Du kenn
st, mit der Unmöglichkeit, auch nur ein
wenig Spannkraft zu finden, um aus dem mechani
schen Trott der täglichen Arbeit
herauszugehen und
×× ein
Werk von Dir in
einer Deiner würdigen Wei
se zu bearbeiten. Eine kleine Reklamenotiz hätte ich als
einen Affront für Dich empfunden. Es mußte etwas Hüb
sches und Feines
|sein. Das aber war ich außer
stande zu
schaffen. Noch
heut bin ich es nicht im
stande. Denn ich bin nicht geheilt, werde es wohl auch nie
werden, und bin durch die
sen Schlag und durch gewi
ssen
schweren Familien- und
Berufs-Kummer, durch die ent
setzliche Zukunftslo
sigkeit meiner
Carrière zerbrochener als je. Um Dich nicht warten zu la
ssen,
sandte mein
Onkel sofort Dein
Buch un
serem
Berliner
Berichterstatter. Der
Herr hat einfach nicht
darüber ge
schrieben. Und wie
|bei un
serem
Blatte die Verhältni
sse liegen,
i
st mein
Onkel machtlos, ihn
dazu zu zwingen. Mein
Onkel selb
st hat
sich dann längere Zeit mit dem Gedanken getragen,
selber darüber zu
schreiben. Aber es i
st eine Unproductivität über ihn gekommen, die auch ihm die Feder
lähmt,
soweit es
sich nicht um Arbeiten handelt, die der Dien
st von ihm erzwingt. Das
Alles i
st
|mündlich schriftlich
schwer auseinanderzu
setzen.
Mündlich würde ich es Dir leicht begreiflich machen. Das prakti
sche Re
sultat: Ich
gehe nach
Paris zurück, mit dem fe
sten Vor
satz, doch über Dein
Werk zu
schreiben, kann aber bei meinem
schwachen Character für nichts
ein
stehen. Das Ge
scheite
ste, im Intere
sse einer ra
schen Erledigung, wäre, wenn einer
von den
Wiener Freunden,
Richard oder
Loris, uns ein kleines
↓Artikelchen↓ ×××××× darüber machen wollte. Mein
Onkel ver
spricht
|sofortigen Abdruck. Wenn
nicht,
so gewähre mir, lieb
ster Freund, noch eine Fri
st, und ich will alle Kraft
aufbieten, um zu thun, was ich Dir
schulde und was ich auch gar
so gern thun
möchte.
Über den
Roman haben wir lange
ge
sprochen, mein
Onkel und
ich. Ein Abdruck in der
Frkf. Ztg. i
st unmöglich
wegen der Phili
stro
sität
des Publicums. Weder mein
Onkel noch ich
sind in keinen Beziehungen mit einem Verleger.
|Das Einzige, was man für’s Er
ste thun könnte, wäre
ein Brief, den Du dann beifüg
st, wenn Du das
Manuskript einem Verleger Deiner Wahl ein
schick
st und der wenig
stens den Vortheil hat, Dir durch
den Namen der
Frankf. Ztg. jene Accredition zu
geben, deren Du bei jenen urtheilslo
sen Buch-Handwerkern noch bedarf
st. Dein Stolz
wird
sich gegen die
ses Mittel wehren, Dein Ver
stand wird Dir zeigen, daß es doch
|nicht zu ver
schmähen i
st. Bi
st Du aber er
st einmal
mit einem Verleger in Beziehung und brauch
st Du meinen
Onkel oder mich zur weiteren Förderung der
Angelegenheit,
so wir
st Du uns auf dem Laufenden erhalten, und vielleicht ergibt
sich
am Ende doch die Möglichkeit, etwas Po
sitiveres und Specielleres zu erwirken.
Der Brief folgt anbei.
|M↓N↓imm' die
sen Brief auch als Antwort meines
Onkels, der Dich lieb hat und Dir gern das Blaue vom Himmel
herunterholen würde, wenn er könnte. Aber Du ha
st keine Ahnung, w
ie↓a↓s für arme, macht- und bedeutungslo
se Men
schen wir
sind, er und ich, wir
z↓Z↓wei mit dem verfehlten Leben.