Redaktion.1 Frankfurt a. M., 4. Juni 1893
Telegramm-Adresse:
Zeitung Frankfurt Main.
Sehr verehrter Herr Doctor!
Ich habe Ihren Roman »
Der sterbende Herr« mit
einer Theilnahme gele
sen, die mir noch
selten eine eingereichte Arbeit eingeflößt
hat. Ich beglückwün
sche Sie zu die
ser Dichtung, in der
sie den feinen
Gei
st eines Poeten und
↓die↓ scharfe Beobachtungsgabe des Arztes mit
merkwürdiger Ergänzungskun
st ver
schmolzen haben. Allein »
Der sterbende Herr« i
st kein Zeitungs-
sondern ein Buchroman;
er
stens nicht aus Gründen, die ich an die
ser Stelle nicht zu erörtern vermag. Darf
ich mir erlauben, Ihnen einen Rath zu ertheilen,
so würde ich Ihnen dringend
empfehlen, für die Veröffentlichung Ihrer
schönen Arbeit, die Ihnen einen verdienten
Erfolg einbringen wird, ohne Verzug einen Verleger zu
suchen. Mein Intere
sse daran
i
st ein
so aufrichtiges, daß es mir ein Vergnügen wäre, Ihnen auch per
sönlich in
die
ser Richtung zu dienen, wenn ich dem Krei
se der deut
schen Verleger leider nicht
völlig fern
stünde. Aber ich kann mir nicht denken, daß Ihnen eine Placirung der
Arbeit Schwierigkeiten bereiten
sollte. Es gibt doch gewiß Unternehmer von Urtheil u.
Ge
schmack, die den Werth einer
so hervorragenden Compo
sition zu
schätzen wi
ssen! Eine
Änderung des Titels würde ich Ihnen ern
stlich
|in Vor
schlag bringen. Wie denken Sie über
»Das letzte Jahr« oder »Ende« oder »Ein Todesurtheil« oder »Der Wille zum Leben«
u.
s. w. All das heißt auch nicht viel, aber es
scheint mir doch be
sser als der
gewählte Titel.
Ver
säumen Sie nicht, mir Nachricht zu geben,
sobald der
Roman unter Dach u. Fach gelangt.