Paul Goldmann an Arthur Schnitzler, 17. 5. [1893]

Directeur M. L. Sonnemann. Paris, 17. Mai.
Journal politique, financier,
commercial et litteraire.
Paraissant trois fois par jour
Bureaux à Paris:

Mein lieber Arthur!

Dein lieber Brief, für den ich Dir herzlichst danke, hat mich im Wesentlichen beruhigt. Die Hauptsache ist, daß Dir die niedrigen Brodsorgen fern bleiben. Alles übrige Weh’, das ich tief beklage, soweit es Dich als Menschen betrifft, wird Dir vielleicht doch zum Heile sein. Und mit jenem künstlerischen Egoismus, der Alles unter dem Gesichtspunkte seiner eigensten Zwecke sieht, denke ich mir, daß ein wenig Härtung und Hämmerung von Seiten des Lebens Deiner schönen Begabung gar herrlich zustatten kommen wird. Auch Herzl |ist dieser Anficht, der Dich jetzt zu lieben und zu verstehen begonnen hat und mit dem ich oft über Dich spreche. Hier und da erfahre ich auf diesem Wege etwas über Dein Ergehen, wenn er einen Brief von Dir bekommen hat. Und dann denke ich mir: »Der hat aber ein Glück.« Auch Isidor Fuchs hat mir viel über Wien erzählt. Und so bin ich denn durch fleißiges Betreiben dieses Nachrichtendienstes ein wenig auf dem Laufenden der Veränderungen, die sich in den äußeren Wiener Dingen vollzogen, und weiß vor allen Dingen von Deinen Erfolgen, die mich mit wahrer Freude |erfüllt. Immerhin gibt es in meinem Wissen gewaltige Lücken. Und wenn Du mir nur ein wenig Näheres über die inneren Dinge schreiben könntest – über die Natur der Unfälle, die Dich betroffen, über Stimmungen und Pläne – ein wenig, ein ganz klein wenig, damit ich wieder Dein liebes Bild etwas klarer vor Augen habe und damit ich nicht blos auf die Erinnerungen angewiesen bin, um es mir zu verdeutlichen, – so wäre ich Dir recht sehr dankbar.
Auch ein paar Nachrichten über die Freunde, von denen ich kein Wort mehr weiß, über Richard und |Loris, würden mir hochwillkommen sein, sowie über diesen Tausendkünstler Hermann Bahr, der es also doch fertig gebracht zu haben scheint, in Wien Carrière zu machen, worum ich ihn aufrichtig beneide.
Daran, Dir meine Dienste in den schwierigen Zeiten, die Du jetzt durchmachst, anzubieten, habe ich gedacht, aber ich habe auch gemeint, daß Du mich leider kaum wirst brauchen können. Ist Dir aber doch zu etwas eine bedingungslose Ergebenheit nützlich, so denke daran, daß es für mich keine größere Freude geben könnte, als sie Dir zu beweisen.
In Treue Dein
Paul Goldm
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