Fondateur M. L. Sonnemann.
Journal politique, financier, Paris, 25. Oktober.
commercial et littéraire.
Paraissant trois fois par jour.
Mein lieber Freund,
Ich hatte mich sehr nach einem ausführlichen Briefe von De Dir gesehnt. Sein Ausbleiben machte mir Sorge, und ich war in meinen
Grübeleien schon zu allerlei traurigen Maximen gelangt. Da kam er endlich, und er
brachte mir soviel Liebes und Gutes, daß ich ihn mit einer wahren Freude gelesen
habe. Nun wollte ich gleich antworten. Aber schlimme Dinge mischten sich dazwischen.
Meine Augen sind seit acht Tagen erkrankt. Der Arzt scheint eine Iritis zu fürchten. |Die Sache wird täglich schlimmer; aber es sind bisher doch nur Vorsymptome da. So habe ich Dir nicht
geantwortet, nicht weil meine Sehkraft bereits angegriffen ist, sondern weil ich
tief, tief verzweifelt bin. Heut ist es mir endlich
gelungen, meine Depression zu überwinden und den seelischen Rapport mit Dir
herzustellen.
So laß’ Dich al
so zunäch
st von ganzem Herzen beglückwün
schen, daß das
Werk nun endlich
vollendet i
st. Als wirs
so zu
sammen be
sprachen, hatte ich die Empfindung, daß Du es
|gut machen müßte
st. Es lag in Deinem Ton
soviel
Sicherheit – trotz allen Suchens.
Un Und ich fand
Dich auch ganz über dem Stoff
stehend. Die Idee, die Du entworfen, i
st glänzend, in
all’ ihrer Einfachheit. Daß Du im Stande
sein würde
st, die Form mit Leben zu füllen,
war
sicher. Kurzum, ich fuhr weg und erzählte meinem
Onkel: »Du wir
st
sehen, in ein, zwei Jahren wird er
sein
Mei
ster
stück liefern.« Darum überra
scht mich nichts am Beifall der
Freunde. Mir i
st, als hätten
sie
meine An
sicht be
stätigt. Nur möcht’ ichs gerne le
sen. Dein Original-
|Manuskript i
st nicht zu entziffern. Aber Du läßt
wohl noch eine zweite Ab
schrift machen. Ich rathe Dir, es zugleich in einem
Berliner Theater (
Brahm) einzureichen. Dann
schick
st Du mirs, bitte, vorher;
ich gebe Dir mein Wort: in drei Tagen ha
st Dus wieder. Ich freue mich für Dich, und
ich bin glücklich in dem Gedanken, wie es jetzt mit Dir vorwärts gehen wird. Dabei
bin ich merkwürdiger Wei
se gar nicht neidi
sch – wie auf alle Anderen –
sondern nur
froh. Es i
st, als ge
schähe in meinem eigenen Leben etwas Gutes.
|Selb
stver
ständlich mußt Du das
Stück dem
Burgtheater einreichen. Wenn es
Wieneri
sch i
st,
so müßte es doch logi
scher Wei
se noch be
sser dafür pa
ssen, als die
××××s Berlineri
schen Stücke (
Sudermann,
Fulda). Daß
Bahr Dich ins
Raimund-Theater wei
sen möchte, i
st mir durchaus
erklärlich. Das
Burgtheater i
st für die große
Literatur da
, Du aber (
Bahr,
Neue Menschen), Du aber
soll
st zum
Dichter von Volks
stücken ge
stempelt werden. Ich bin auch überzeugt, er wird
Burckhardt gegen Dich zu beeinflu
ssen
suchen.
|Der
Schuft! So
sehr ich dagegen ankämpfe, mein Haß gegen den
Burschen wäch
st beinahe täglich. Es i
st ein
m unl unlauterer Men
sch. Man braucht ihn nur in der »
Zeit« zu beobachten. Alles,
was von
Kanner kommt, i
st nämlich, originell und muthig. In
Bahrs Re
ssort gibt es nichts als berechnetes Laviren, verbunden mit
frechem literari
schem Pontificiren. Socialpoliti
sch und politi
sch i
st die
Revüe vorzüglich; literari
sch
finde ich
sie talent- und
int intere
sselos redigirt;
da gibt es nur einen
Bahr,
der alles Andere i
st als Relief befandelt.
Der |Er wird das
schöne
Unternehmen schon umbringen.
»
Sterben« habe ich gele
sen. Es hat mich tief,
tief ergriffen. Wenn Du wüßte
st, was für einen goldenen Reifeton Deine Kun
st jetzt
hat! Die
se klare und noble Einfachheit! Die
se Gemüthstiefe! Und die
ser
scharfe
Ver
stand, der in des Lebens dunkel
ste Gründe dringt! Soweit ich bisher urtheilen
kann, i
st es eine große Lei
stung, wohl Deine größte bi
sher. Nur Eines meine ich – ich
weiß nicht, ob der Eindruck bis zum Schluß vorhalten wird – Du
sollte
st aus der
verfluchten Illegitimtät heraus. Das bringt etwas
|Halbes hinein. Wenn das Mädl
seine Frau wäre,
so
× wäre es noch ergreifender, noch allgemein men
schlicher. Ich glaube, daß es
nichts
schaden könnte, bis nach
Weihnachten mit dem
Buche zu warten. Vor
Weihnachten komm
st Du in den großen Schwall hinein, nachher tritt es
be
sser hervor.
Das
Stück von
Triesch hat
Bahr in der »
Zeit« fe
st
gelobt. Verhält
sich eben mit der
Clique, der Herr. Pfui, pfui!
Das »
Journal« i
st,
seit Du es abonnirt ha
st, recht
schwach. Es i
st, als ge
schähe es
ab
sichtlich. Vergiß’ nicht,
|die Humori
sten zu
le
sen:
Allais,
Bill Sharp etc. Des Letzteren »
Briefe an Allais über die Zündhölzchen und
über die Omnibusse« waren kö
stlich. Freilich muß man ein wenig Lokalkenntniß haben, um das in
seiner ganzen Größe zu würdigen. Du ha
st
30 fr. 40 ct. bei mir gut. Was
soll damit ge
schehen? Ein
paar Sachen habe ich für Dich ge
sammelt, wie ich Dir ver
sprochen. Es i
st nicht viel
Bedeutendes drunter, aber allerlei
|Kurio
ses. Es i
st
natürlich lächerlich, daß ich Dir zugemuthet habe, über das Alles mir zu berichten.
Schreib’ mir nur ein allgemeines Wort, obs Dir
so recht i
st. Dann fahre ich fort.
Das mit dem
seh sechzehnjährigen
Mädel hat mich gerührt.
Liebes, kleines Ding!
Die Frau
Andreas sprach ich hier noch einmal. Ich glaube,
sie hat mich lieb gehabt. Nun i
st
sie
im Groll von mir ge
schieden, weil ich
sie zurückge
stoßen habe. Und all
sogleich
stellt
|sich bei mir die Reue ein. Aber
sie hat
unwiderruflich mit mir gebrochen.
Grüß’ mir
Richard und
Loris.
Herzl sehe ich kaum. Bin wieder ganz mit ihm auseinander. Er war
seit
seiner
Rückkunft einmal bei mir, um mir anzuzeigen, daß »
Tabarin« werde aufgeführt werden, was
mich neidi
sch machen
sollte. Seitdem verkehrt er täglich mit
Feldmann und läßt
sich bei mir nicht mehr
sehen. So habe ich ihn auch links liegen
la
ssen.
Aber Deinen Gruß und |Dein Lob habe ich ihm
ausgerichtet. Das hat ihn sehr gefreut.
Meine Sachen sammeln? Ich weiß genau, daß sie es nicht werth sind. Aber mir thut es
wohl, wenn Du mir das Gegentheil schreibst. Natürlich werde ich sie nicht sammeln.
Bitte, mich Frl.
Sandrock zu empfehlen.
Bitte, mich Deiner Frau
Mutter recht herzlich zu empfehlen. Bitte, Deinen
Bruder und Deine entzückende kleine
Schwägerin recht herzlich von
mir zu grüßen.
Und sei Du selbst von Herzen gegrüßt! Dein
treuer Paul
Goldmann
Salten la
sse ich zu
seiner neuen
Stellung gratuliren.
|Wenn Du vom
Burgtheater Antwort ha
st, erbitte ich
umgehende Mittheilung.