Herrn Dr. Richard Beer Hofmann
Lieber Richard, ich denke, der Brief da trifft noch vor Ihnen in
Venedig ein –
so bin ich al
so aller peinvollen
Gedanken ledig, die Sie mir für den Fall d
ss
etc
profezeihen. – Heut hab ich Ihren Brief über
Pompeji bekommen. »Ueber
Pompeji« –
d. h. wo Sie
sagen, da
ss Sie
sich nach wirklichen
römischen Bädern
sehnen. –
Von mir i
st nichts neues zu
sagen; nicht viel. – Sie wi
ssen, d
ss »
Sterben« jetzt allmälig er
scheint, wi
ssen auch, d
ss ich große
Ang
st vor den Correctur
|bogen hatte. Ich bin aber
angenehm enttäu
scht; es ist einiges wirklich
schön
s↓e↓ drin. – Geben Sie nur Acht, was die Kritik
sagen wird. Ich bin fe
st
überzeugt, da
ss man mich viel
schlechter, d. h. frecher behandeln wird als zu
Anatols Zeiten.
– Die »
Liebelei« werd ich Anfang näch
ster Woche einreichen (d. i. al
so vor
1. November.) –
Meine Stimmung ist nicht sehr gut. Ich spüre die Enge
meiner Existenz zuweilen schmerzlich. Und wenn man sich
über die Enge schon hinwegtäuscht durch ehrliche Versuche, wenigstens mit des Geistes
Flügeln (zu denen – ach so leicht kein körperlicher u. s. w.) allem davon-zu|flattern; da kommt plötzlich das gewisse
Damoklesgefühl über einen. Sie wissen: die vielen, vielen Schwerter – aber sie tödten
nicht einmal alle gleich. –
Es wird gut sein, wenn ich möglichst bald wieder was
großes zu schreiben anfange, was vielleicht weder gut noch groß sein wird, was ein
Wortspiel ist oder auch kein Wortspiel oder doch ein Wortspiel wie R. B.-H. schreiben würde, dass A. S. schreiben würde –
Ich war bei der
Première der
Comödianten. Es i
st ein
schlechtes
Stück mit einigen gut angelegten Figuren, einer dramati
sch
|vortrefflichen Scene, (– die
↓sich↓ wie ein lebendiges Auge, das leuchtet,
ausnimmt in einer Wachspuppe ausnimmt;) mit ein paar vortrefflichen
Wendungen –
aber↓sogar↓ mit etwas Elan im Beginn; im ganzen aber doch nur
springende Epi
soden und
keine
schreitende Handlung. Was
sich als letztere ausgibt,
stört geradezu. Es i
st der
Holz
stab, der durch die verzuckerten Mandeln ge
steckt wird – freilich fallen die
Mandeln ohne das Holz auseinander; – aber gege
ssen werden doch nur die Mandeln – und
das Holz – nun?? man leckt es ab, woran dieser Vergleich,
scheint mir,
|schmählich zu Grunde geht. –
Ge
stern hab ich wieder einmal
Kabale u Liebe
ge
sehn. Es i
st unbegreiflich, da
ss man einen
so raffinirt guten und auch innerlich
großartigen er
sten und zweiten Akt – und einen
so un
säglich du
mmen fünften Akt
schreiben kann. – Und dann – die Liebe
bei
Schiller geht mir auf die Nerven. Ihre
Bemerkung über »Lebt wohl, ihr Berge« – (
sind Sie ge
schmeichelt?) läßt
sich auch da
hundertmal machen. –
Kennen Sie den
Komödiantenroman von
Scarron? Eben le
se ich ihn mit viel Vergnügen. – Ich werde zum Nachtmahl
|gerufen. Leben Sie wohl, ko
mmen Sie bald zurück, und
schämen Sie
sich nicht, da
ss
Sie
sich sogar – nach den
Wiener Kaffeehausecken
sehnen. –
Herzlich der Ihre Arthur.
Sie
schreiben mir natürlich auch noch eine Zeile aus
Venedig? –