Ein Kapitel
Ludassy. Es ist langweilig und
lästig, aber ich mu
ss ein Stückchen Vorgeschichte erwähnen. Wie ich mit ihm
auseinanderkam, wissen Sie ja. Es war der
Hugo Ganz-Prozess gewesen. Die »
Concordia« ereiferte sich gegen
Kanner, den ich verteidigte. In der Versammlung sa
ss
Ludassy mit mir an einem Tisch. Ich sagte in
meiner Rede,
Ludassy sei als Chef auch heftig
gewesen, ohne dass die
Concordia u. s. w. Als ich
geendigt hatte, zischelte mir
Ludassy, der
ganz bla
ss war, zu: »Das war geschmacklos und undankbar.« Ich: »Wofür bin ich Ihnen
den Dank schuldig?« Er: »Ich wei
ss auch Sachen von Ihnen . . . «
Worauf ich, der ich einerseits fand, es sei vielleicht zu viel von mir gewesen, wenn
ich bei Gelegenheit
Kanners auf
Ludassy’s verjährte Brotherren-Grobheit
anspielte, andrerseits über die »Sachen«, die er wi
ssen wollte, aufgebracht war, ihm
sagte: (auch aus versammlungstechnischen Gründen): »Ich werde jetzt aussprechen, dass
diese Reminiszenz meine Spitze gegen Sie enthielt, und dann werden Sie sofort
erklären, was Sie von mir wi
ssen.« Er antwortete: »Abgemacht.« Ich tat nun
meinerseits, wie versprochen. Wie ich ihn aber aufforderte, ja bevor ich ihn noch
auffordern konnte, nunmehr sein Wort einzulösen, reichte er mir die Hand, mit den
Worten: »Sein wir wieder gut . . « Ich schlug seine Hand aus,
und begehrte, die »Sachen« zu wi
ssen. Er blieb dabei: »La
ssen wir’s gut sein. Da
sagte ich ihm, in Erinnerung an manche ähnliche Büberei: »Das ist echt Ihre Art. Wenn
Sie jetzt nicht sofort mit
|der
Sprache herausrücken, sind Sie ein feiger Lump . . . « oder
Kerl . . . oder Schuft, oder so was ähnliches.
Ludassy stand vom Tisch auf und seither grü
ssen
wir uns nicht mehr.
Sie erinnern sich dieser abscheulichen Geschichte gewi
ss; erinnern sich ihrer um so
eher, als ich sie gleich damals, und hernach noch oft bei Ihnen zum Besten gab, wenn
wir über Freund
Ludassy und sein Verhältnis zu
mir, zu Ihnen und zu uns allen sprachen.
Diese Geschichte, als die Entstehungsursache seiner Feindschaft gegen mich, habe ich
vor dem Ehrenrat zu Protokoll gegeben. Herr
Ludassy leugnet diesen Vorfall, bezichtigt mich der
Unwahrheit, und erhebt Ehrenbeleidigungsklage gegen mich, weil
ich ihn durch Erzählung dieser von mir erlogenen Episode vor dem Ehrenrat dem Gespött
preisgegeben habe. Die Verhandlung findet
Montag,
Bezirksgericht Josefstadt,
Alserstrasse statt. Herr
Ludassy will
damit der Schwurgerichtsverhandlung gegen sich in listiger Weise präludiren.
Es kommt nun für mich darauf an, zu beweisen, dass ich diesen Vorfall gleich damals,
nach der
Kanner-Versammlung, dritten Personen
erzählt habe. Ich wei
ss nun, dass ich Ihnen gleich damals ausführlich davon
Mitteilung machte, um Sie in Kenntnis zu setzen, dass ich mit
Ludassy verfeindet sei. Wei
ss, dass ich Ihnen im Sommer 190
5↓4↓ in
Pötzleinsdorf, in der
Starkfriedgasse, wo ich damals wohnte, die Sache
wieder erzählte, worauf Sie mir
Ludassy’s Schmutzwort über
Herzl, das er kurz nach
Herzl’s Tode
geäu
ssert hatte, gleichsam zur Illustrirung mitteilten.
Nun bitte ich Sie, mir das zu bezeugen. Sie sind der Einzige, dem ich so oft von der
Sache sprach. Es ist wichtig, dass mir der Wahrheit
gemäss bezeugt wird, ich habe diesen Vorfall langevor dem Ehrenratsverfahren, oftmals und immer in der|selben Form erzählt, und immer als die letzte Ursache
der Entzweiung bezeichnet.
Die Äu
sserung über
Herzl wird in der
Montag-Verhandlung nicht zur Sprache kommmen. Ich hoffe. Sie zögern nicht, mir durch
↓mir↓ die einfache Constatirung dieser Tatsache in meinem
aufgedrungenen Abwehrkampf gegen eine der bissigsten Canaillen, die es gibt,
beizustehen; in einem Kampf, in dem ich ohnehin zu sehr allein stehe. Bitte geben
Sie
mir pneumatisch Nachricht, ob Sie sich dieser Dinge, namentlich des
Sommers
1904, ec. erinnern, und ob ich Sie als Zeugen nennen darf. Das Wesentliche
ist, ob Sie – wie ich annehme – sich besinnen, diese Geschichte lange
vor dem Dezember vo
r. Jahres und
oft vorher von mir gehört zu haben.