Paul Goldmann an Arthur Schnitzler, 25. 7. [1902]

Berlin, 25. Juli.

Mein lieber Freund,

Nach langem Schwanken habe ich mich entschlossen, in die Schweiz zu gehen. Ich komme also nicht über Wien. Der Wiener Aufenthalt hat mir zu Pfingsten gar nicht gut gethan; ich bin sehr angegriffen zurückgekehrt. Nach Tirol gehe ich nicht, weil ich fürchte, dort zu viel Bekannte zu treffen und in ein ermüdendes gesellschaftliches |Treiben hineinzugerathen. Ich will einmal ein paar Wochen lang ganz der Ruhe leben und es sogar mit der Einsamkeit versuchen. Vielleicht thut diese meinen gequälten Nerven gut.
Es thut mir unendlich leid, daß ich durch diese Änderung meiner Reisepläne auch der Freude verlustig gehe, Dich wiederzusehen. Ich rechne aber sehr darauf, daß die »Beatrice«-Angelegenheit |Dich schon im Anfang des Winters nach Berlin führen wird. Hat Brahm geantwortet? Und in welchem Sinne? Dr. Löwenfeld, vom »Schillertheater«, ist in Kaltenleutgeben; und wenn Du mit Brahm nicht einig wirst (was ich aber hoffe) kannst Du gleich mit ihm verhandeln.
Ich bleibe noch etwa acht Tage hier und hoffe, von Dir bald zu hören. |Grüße mir Olga und Liesl und sei Du selbst vielmals und von Herzen gegrüßt von
Deinem getreuen
Paul Goldmn
Lies das Buch »Impressionen« von Walther Rathenau.
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