Bitte übermittle diesen Brief an seine Adresse, da Du mir auf meine Frage, wo die Mädeln jetzt wohnen, noch nicht geantwortet hast.
Herzlichst Dein
Paul Goldmnn
I
st
Richard schon in
Wien?
Endlich eine freie halbe Stunde! Gleich hole ich mir Ihren Brief heraus aus
dem Paket, das auf meinen Pult sich aufgehäuft hat. Sie haben
mir so lieb geschrieben und haben mir damit eine so große Freude gemacht! (Das »Sie«
ist immer Mehrzahl und bedeutet hier Olga und Liesl). Ich habe Arthur bereits
gebeten, Ihnen zu danken. Da er dies, wie ich voraussetze, vergessen hat, so danke
ich Ihnen hier noch einmal.
Liebes Fräulein
Olga (jetzt in der Einzahl): Daß Sie keine
Berichte über
Kaiserzu
sammenkünfte
le
sen, thut mir leid. Er
stens war mein
Bericht hüb
sch. Zweitens i
st die Nichtachtung
|der
Politik, wie
sie unter un
seren
Wiener Freunden
be
steht, ein Fehler. Alles Men
schliche i
st intere
ssant; und
poli eine Kai
serzu
sammenkunft bietet nicht weniger
men
schliches Intere
sse als das er
ste Auftreten von Fräulein
Medelsky im
Volkstheater. Ge
schichte betreiben
un
sere Freunde. Aber was i
st Politik Anderes, als Ge
schichte, die wir miterleben? Die
großen Frauen der Renai
ssance und in
Frankreich
haben
sich mit Politik immer viel be
schäftigt und haben viel davon
verstanden ver
standen.
Das
Feuilleton von
Lesser habe ich nicht gele
sen. Er i
st per
sönlich ein braver Men
sch.
Meinetwegen al
so
soll er für
Altenberg schwärmen und
sogar für
Hoffmannsthal. Von Letzterem werden wir im »
Deutschen Theater« ein
Versdrama zu
sehen
bekommen. Ich freue mich
schon rie
sig.
|Daß Ihr
Vater sich
so ab
scheulich
benimmt, thut mir unendlich leid. Kann man da gar nichts machen?
Arthur soll den Prozeß nur jedenfalls einleiten. Ich bedaure namentlich, daß
ich in der Angelegenheit
so gar nicht zu Hilfe
kommen kann. Zum Bei
spiel, wenn ich eine Million hätte, wäre das
sehr einfach. Bitte,
warum hab’ ich keine Million?
Diese neuen Kleider müssen herrlich sein. Besonders, wenn ich den himmelblauen
Gürtel sehen könnte, es thäte meinem Herzen wohl!
Ich denke oft und herzlich an Sie (wieder Mehrzahl).
Welsberg liegt fern. Ich lebe wieder mein elendes Leben und bin unbe
schreiblich ein
sam
in die
ser kalten
Stadt, in der
Niemand mich mag, Keiner und Keine.
|Liebes Fräulein
Olga,
kommen Sie bald mit dem
Arthur nach
Berlin,
schreiben Sie mir bis dahin noch manchen lieben Brief
und
seien Sie herzlich gegrüßt von
Ihrem ergebenen
Dr. Paul Goldmann.