Paul Goldmann an Arthur Schnitzler, Olga und Elisabeth Gussmann, 3. 7. [1901]

Berlin, 3. Juli.

Mein lieber Freund,

Ich habe mich sehr mit Deinem und der kleinen Liesl Briefe gefreut.
Du kannst Dir denken, wie gern ich mit Euch Allen zusammensein würde. Aber Du machst es mir gar zu schwer; und wenn Du nach der Schweiz gehst, wird es ganz unmöglich sein. Ich bekomme eine Freikarte auf der Südbahn. Danach muß ich mich richten, bei meinen beschränkten Geldmitteln. Wenn Du also mit mir |zusammen sein willst, so mußt Du mir entgegenkommen. Das heißt also: Gehst Du nach Kärnthen oder Tirol, nach Südtirol womöglich, so werden wir uns sehen. Wenn nicht, so werde ich diesmal meinen Urlaub in Österreich verbringen, ohne Dir die Hand drücken zu können, und das wird sehr traurig sein. Im Übrigen denke ich mir: Ihr Zwei seid glücklich miteinander. Gewiß, ich würde Euch nicht stören. Aber soll ich mir das anthun, ich Einsamer, |dem Alles versagt ist, in der Nähe eines so großen Glücks zu leben?
Theile mir also (und zwar möglichst rasch)  Jedenfalls noch Näheres über Deine Reisepläne mit! Kerr möchte auch mit Dir und mir zusammen sein. Soll ich ihm sagen, wo Du bist? Und mit wem? Einstweilen haben Kerr und ich festgesetzt, daß wir uns am Wörthersee treffen und vielleicht zusammen hingehn.
|Sei vielmals und von Herzen gegrüßt von
Deinem
 Paul Goldmnn

Liebes Fräulein Olga, Ich danke für Ihre lieben Zeilen und freue mich auf Ihren Brief. Könnten Sie nicht den Arthur bestimmen, daß er nach Tirol oder Kärnthen geht statt nach der Schweiz? Nach mir richtet er sich nicht; das weiß ich aus Erfahrung. Aber wenn Sie es verlangen, richtet er sich vielleicht nach Ihnen. Das Ganze kann ja ein Geheimniß bleiben zwischen uns Beiden.
Herzlichst Ihr
 Dr. Paul Goldmann.

|Liebes Fräulein Liesl,
Mir fällt ein, daß ich Ihnen auch gleich antworten möchte. Ich danke Ihnen für Ihr liebes Briefchen, und es thut mir unendlich leid, daß Sie soviel Kummer gehabt haben. Aber warten Sie nur, es wird schon besser kommen. Ich möchte Sie gern wiedersehen und ein Bischen mit Ihnen plaudern und Sie quietschen hören (quietschen Sie noch so gut?). Aber dieser |Schurke, der Arthur (bitte, sagen Sie es ihm nicht, daß ich ihn Schurke genannt habe) will nach der Schweiz gehen. So macht er es mir unmöglich, mit Ihnen zusammenzukommen. Ich glaube, er thut es absichtlich. Er will beide Schwestern ganz für sich haben und gönnt sie Keinem. Er war immer so ein Intriguant.
|Bitte, schreiben Sie mir bald wieder, und seien Sie herzlichst gegrüßt von
Ihrem
 Dr. Paul Goldmann.
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