Paul Goldmann an Arthur Schnitzler, 21. 7. [1898]

|Shanghai, 21. Juli.

Mein lieber Freund,

Dieser Tage empfing ich Deine lieben Karten aus Steiermark. Ich sage Dir, Richard u. seiner Frau vielen Dank, daß Ihr an mich gedacht habt. Auch dem Herrn Kramer bitte ich, zu danken; wenn ich wieder einmal ein Familienblatt herausgebe, so werde ich alle Gedichte von ihm nehmen.
Ich leide hier ganz namenlos unter der fürchterlichen Hitze des tropischen chinesischen Sommers. Seit Wochen schlafe |ich keine Nacht mehr als zwei bis drei Stunden. Es ist einfach zum Verrücktwerden; und da es im Norden dieses verfluchten Landes genau so heiß ist, wie im Süden, gibt es keine Flucht vor der Hitze. Auch habe ich China satt bis oben hinauf. Letzte Woche kam ich in einen Chinesen-Aufruhr hinein und wäre beinahe todt geschlagen worden. Den schlimmsten Theil der Reise habe ich leider noch vor mir: Kiau-tschou, wo es noch kein europäisches Haus gibt, und Peking, das gräßlichste Schmutznest der |Welt, wo man die Pocken kriegen kann, wie nichts. Nächsten Montag fahre ich nach Kiautschou (Meine Adresse bleibt Shanghai). Ich sage Dir: vierzehn Tage in Florenz sind besser, als sechs Monate in China. Das Heimweh plagt mich unablässig, und ich wünschte, ich wäre schon wieder in Europa.
Hoffentlich höre ich bald wieder von Dir. Grüß’ mir Deine Freundin u. sei Du selbst von Herzen gegrüßt!
Dein treuer
Paul Goldmann.
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