Fondateur M. L. Sonnemann.
Journal politique,
financier,
commercial et littéraire.
Paraissant trois fois par jour.
Bureau à Paris Paris, 24. Mai.
Mein lieber Freund,
Vielen Dank für die »
Freie
Bühne«, die ich anbei zurück
sende. (Das heißt nicht »anbei«. Ich behalte
sie
noch bis Dien
stag, um
sie
M. Schefer zu zeigen, der mich an die
sem Tage be
suchen
kommt). Der
Artikel i
st höch
st
intere
ssant. Ich freue mich über den
schönen Enthu
siasmus, den mein lieber
Arthur erregt. Auch
sagt der
|Verfasser manches Richtige.
Im Allgemeinen aber
sind
E mir
seine kraftgeniali
sche Art und Styl nicht
sehr
sympathi
sch.
Beifolgenden Brief empfehle ich
Dich Dir aufs Wärm
ste zur bejahenden Beantwortung.
Verfa
sser i
st ein
Vetter von
Kanner – kreuzbraver
Mensch –
selb
st
schwer lungenleidend, der wohl im »
Sterben« ein Stück
|seines Schick
sals
gefunden hat.
Über den »
Vortrag« von
Loris, den die letzte »
Zeit« gebracht, war ich
wüthend. Ich ver
stehe nicht ein Wort von dem, was er will. Und dann Stellen, wie:
»
Eine neue und kühne Verbindung
von Worten ist das wundervollste Geschenk für die Seelen und nichts geringeres als
ein Standbild des Knaben Antinous oder eine große gewölbte Pforte«. Das i
st doch unerhört! Was i
st eine
große gewölbte
|Pforte für die Seelen? Und was hat
das, zum Teufel, mit dem Standbild des Knaben
Antinous zu thun? Ich will nicht aus
schließen, daß das wirklich empfunden i
st. Aber wenn
auch –
so thut das eine ganz unerhörte Empfindungen-Verwirrung dar. Auch i
st es eine
verfluchte Schlamperei,
sich
so gehen zu la
ssen und jede
incohérence auszu
sprechen, die Einem durchs Hirn fährt,
die ××××××× ×××× wird in der Überzeugung, das
|sei genial. Auch
wird die Literatur auf die
se Wei
se zu einer Geheim-Sprache, die nur mehr ein paar
Eingeweihte ver
stehen. Die
ser junge
Mann schreibt doch fürs Publicum. Und wenn er
sich nicht mehr
so ausdrücken kann, daß ihn das Publicum versteht – wenn
seine Gedanken einen Flug
nehmen,
|wo die Ma
sse ihm nicht nach kann und wo er
selb
st kaum noch mit kann – dann
soll er eben
kein nichts mehr drucken la
ssen und keine Vorträge halten. Hüb
sch i
st auch, daß es
einmal heißt, »
bei den neueren
deutschen sogenannten Dichtern«. Und weiter unten: »
Sie wundern sich, daß Ihnen ein Dichter die Regeln lobt etc.« Al
so größenwahn
sinnig
|i
st die
ser junge
Mann auch
schon. Worauf hin?
Mit dem »jungen
Goethe« i
st es bisher nichts geworden. Bisher hat es eigentlich nur in einem Punkte
ge
stimmt: in der Jugend.