Fondateur M. L.
Sonnemann. Paris, 25. Juli.
Journal politique, financier,
commercial et littéraire.
Paraissant trois fois par jour.
Mein lieber Freund,
Gern hätte ich Dir Deinen lieben Brief von neulich gleich beantwortet. Aber es gab
gar soviel zu thun.
Al
so Ihr geht doch noch nach
Kopenhagen? Habt Ihr Nachrichten von Frau
Andreas?
Was mich anlangt,
so gedenke ich am 1. Augu
st hier
abzurei
sen. Ich gehe nach
Toelz zum Kur-Gebrauche. Ich bin
sehr krank. Seit fa
st einem Jahre leide ich an einer
unerklärlichen Affection des rechten Auges:
Pupillen-Ungleichheit. Schmerzen,
|Seh
störungen
etc. Die
Ärzte Ärzte
sagen mir nichts u. drängen nur zur Kur.
Ich fürchte
tumor cerebri.
So bleibe ich al
so in
Toelz voraus
sichtlich vier Wochen.
Toelz liegt etwa zwei Bahn
stunden von
Muenchen entfernt. Zwi
schen dem 23. u. 30. Augu
st bin ich jedenfalls noch dort. Vielleicht
treffen wir uns al
so in
Muenchen (wenn ich die Kur unterbrechen darf). Oder auch
son
stwo – ich erwarte Deine
Dispo
sitionen. Wenn Du mir
sofort antworte
st,
so erreicht mich ein Brief von Dir noch
hier. Jedenfalls theile ich Dir
|sofort meine
Un Unterwegs-Adre
sse mit, und wir bleiben dann wohl in Verbindung. Wie innig ich
mich darauf freue, Dich wiederzu
sehen, brauche ich kaum zu
sagen. Und
Richard, werde ich den auch
sehen?
Ich habe oft in die
sen Wochen der
schönen Tage im vorigen Jahre gedacht. Ich wün
schte, ich könnte wieder hin, nach
Ischl z und zu Euch. Ich habe Heimweh nach dem Allen. Du
ahn
st nicht, mein lieber Freund, wie verzweifelt und tro
stlos ich bin. Manchmal
staune ich über mich
selber, daß ich
|noch
aufrecht
stehe. . . . . .
Ich
sende Dir anbei die ge
sammelten
Artikel von
Henry Becque, mit der Bitte, mir das
Buch gelegentlich zurückzu
schicken. Es i
st Alles per
sönliche Polemik,
recht dürr und wenig erfreulich. Aber ich denke mir, wenn Dich die Theater-Canaillen
kränken, wir
st Du vielleicht ein wenig Tro
st darin finden, daß es Anderen noch
schlimmer geht. Auch i
st doch der Haß des
Manne Mannes (
Becque) mit all’ dem Klat
sch, den er aufrührt, manchmal recht amü
sant. In den
Druck
sachen, die ich Dir die
ser Tage
|sandte, i
st
diesmal wenig Be
sonderes. Ich empfehle Dir nur in der »
Revue Blanche«
die Geschi die recht nette
Geschichte von
Muhlfeld.
Ob ich durch
Becque etwas für Deinen Verlag durch
setzen werde, weiß ich nicht. Er i
st
so
sehr mit
sich be
schäftigt, daß es
schwer i
st, ihn für einen Anderen dauernd zu
intere
ssiren.
Daß dein
Bruder und Deine
Schwägerin einen
Sohn haben, habe ich mit Freude
|vernommen. Ich glaube,
sie konnten nichts
Anderes haben als einen Sohn. Der wird ein ge
scheiter und lieber
Bursch werden. Ich möchte ihnen
g
ern direct
schreiben und gratuliren, aber ich wags nicht. Denn
ich habe mich noch immer nicht für das reizende Bild bedankt, das
sie mir zu Neujahr ge
schenkt. Ich
wollte die Antwort bis zum Gegenge
schenk auf
schieben und habe bis heut nichts Pa
ssendes gefunden. Was mü
ssen die
sich von
mir denken!
|Deine Frau
Mutter dür
ste mit Dir
sein. Bitte empfiehl’ mich ihr recht angelegentlich.
Meine
Mutter i
st
seit zwei
Monaten zu Be
such bei mir
und. Wir
sprechen oft von
Dir, und
sie dankt Dir die Freund
schaft, die Du mir bezeig
st, nicht minder, wie ich
selb
st. Sie i
st krank, die
Ärmste, ohne es zu ahnen (
Diabetes). Jetzt er
st,
wo ich denken muß,
sie zu verlieren,
sehe ich, was
sie mir i
st. Die
Einzige auf der Welt, die mich noch
für mit den alten
|Augen an
sieht, für die
sich nichts geändert, für die
ich noch der hoffnungsreiche und wohlge
stalte Sohn bin! Und die
se rührende,
geräu
schlo
se Liebe, die immer um Einen i
st, wie ein
stiller Segen, und nie etwas für
sich verlangt! Manchmal gehen wir mit
sammen über die Straße, und da denke ich, wie
trotz ich
sie mir
so nahe und
so unentbehrlich
fühle und wie trotzdem bereits in jedem von uns das Grauenhafte lebendig i
st, das uns
auseinanderreißen wird.
Sie hat Dich schon oft grüßen lassen, ich habs aber immer vergessen.
Leb' wohl, liebster Freund!
Dein Paul Goldmn