Ich danke Dir von Herzen, daß Du meine Bitte
so ra
sch erfüllt ha
st. Ent
schuldige nur
die großen Ko
sten, die
ich Dir verur
sacht; aber Du ha
st mir eine große Freude gemacht. Mittags
bekam ich
es, in einer Stunde
war es gele
sen, und am
selben Tage
sende ich es Dir
noch zurück.
Da ich
sofort
schreiben muß, bin ich meiner Eindrücke noch nicht ganz
sicher. Der
er
ste
Akt i
st voll Anmuth,
voll Bewegung, er endet aufs
|Packend
ste. Ich
glaube, er wird
sehr gut ge
spielt werden mü
ssen. Die zwanglo
se, natürliche
Fröhlichkeit
stellt den Komödianten keine leichte Aufgabe. Auch möchte ich gleich
hier
sagen, daß ich be
sonders die
se einfache Sprache überall bewundert habe.
Das Die Leute
sprechen im
Stück, wie im Leben. Welch’ eine Kun
st da
drin
steckt! Im zweiten
Akt –
und auch
son
st – hätte ich gern, daß der alte
Weiring etwas mehr
her hervorträte, als blos mit ein wenig Profil. Ich hätte ihn etwas ausführlicher
gewün
scht,
umsomehr als ich eine kleine Scene
rührender Vaterliebe zwi
schen ihm und dem Mädel hätte das
Ende |noch um eine
Nuance
tragi
scher gemacht. »Ich alter Mann
, habe nur noch
Dich.« Es gibt nichts mehr zum Weinen, als hilflo
ses, verla
ssenes Alter. Zudem bin
ich überzeugt, daß der
Herr, der von
Cen
sur-Schwierigkeiten
sprach, gerade die Reden
Weirings über Tugend
und Behütung von Glück gemeint hat. Das i
st zwar eine Haupt
sache, ein Grundgedanke
des
Stückes. Das liegt aber
den Trotteln wenig auf. Niemals wird man im kai
serlichen
Hofteh Hoftheater so etwas
sagen
la
ssen. Son
st i
st die
Scene
ergreifend. Die
Abschiedsscene
hätte ich auch
|noch um einen Grad kräftiger
gewün
scht, mit etwas mehr Betonung darauf, daß es der
Abschied ist.
↓Auch sollte er einmal vom Sterben sprechen
und Angst zeigen.↓ Son
st i
st
sie entzückend. Der
Schluß mit der letzten Umarmung
m wird ungeheuer wirken. Einfach, aber
so
schön! Der dritte
Akt i
st der Höhepunkt; überhaupt i
st das
Stück vorzüglich gebaut, es
wäch
st
so allmälig ins große Dramati
sche hinein. Bewundert habe ich nebenbei die
Kun
st, mit der Du all’ die techni
schen Schwierigkeiten für den dritten
Akt bewältigt ha
st, von denen
Du in
Ischl sprach
st. Ma
m↓n↓ kann
sich keinen zwanglo
seren und natürlicheren
|Vorgang denken. Be
sonders daß die
Sache »übermorgen«
spielt, i
st zugleich
techni
sch fein und dramati
sch wirk
sam. Nun möchte ich auf eine kleine Gefahr
aufmerk
sam machen: daß man nämlich den
Theodor, wenn er nicht
vortrefflich sehr ge
schickt
ge
spielt wird, im Publikum zuer
st komi
sch nehmen kann. Er i
st auch gar zu
sehr
»
mufle«. Insbe
sondere
möchte ich, daß er das von dem Fallen im Duell nicht gar zu trocken heraus
sagt. Ich
weiß wohl, was Du damit will
st: mit
|dem Mädel macht
man eben keine Um
stände. Aber
so ein roher Kerl i
st der
Theodor doch nicht. Er
sollte wenig
stens verlegen
sein, zu um
schreiben ver
suchen:
Unfall . . . .
schwer verwundet . . . . und
lan dann er
st das Duell herausbringen. Die Tragik,
die dann mit elementarer Gewalt lospra
sselt, – die Reden des Mädels – das i
st ein
Meisterstück. Mich hats bereits
beim Le
sen in der Kehle gewürgt. Auf dem Theater kann dem kein Men
sch wieder
stehen.
Herrlich und tief ergreifend! Der
Schluß gefällt mir nicht. Ich möchte nicht, daß
sie
sich umbringt. Das i
st
|gar nicht nöthig. Laß’ dem dummen Publikum
wenig
stens den kleinen Tro
st, daß
sie leben bleibt. Es kann viel er
schütternder
enden. Sinkt dem Vater weinend an die Bru
st und der hebt
schluchzend
seinen
zitternden Arm und
schreit zu
Theodor, dem Reprä
sentanten der »Welt draußen«: »Ihr habt mir mein Mädel umgebracht.«
Oder
so was. Aber kein Weglaufen. Man verhindert
sod sie auch, ans Grab zu gehen, damit ba
sta! Die Fen
ster-Hinaus
schreierei i
st
verfehlt. Die
Hauptperson muß
auf der Bühne bleiben. Und dann
so unwahr
scheinlich.
|Er holt
sie ja doch ein
; bis zum Kirchhof, braucht
sich nur einen Fiaker zu nehmen, um ihr zuvorzukommen. Oder die
Mizzi schreit aus dem Fen
ster den Pa
ssanten zu: »Haltets auf!« Das
mußt Du ändern. Es i
st ein Fehler, das Ende hinter die
Couli
ssen zu verlegen.
Im Ganzen: ein edles und reifes
Werk. Ich beglückwün
sche Dich dazu von ganzem Herzen. Ich kenne zur Zeit
Niemanden, der
so etwas
schreiben könnte, auch hier in
Frankreich nicht. Es i
st die Krönung Deines bisherigen Lebens und Schaffens,
|und wird es er
st einmal aufgeführt,
so wird die
Welt mit Er
staunen
sehen, daß Du ein Dichter bi
st. . .
Gräulich i
st, nochmals, der
Titel. Wenn Du
einen hätte
st wählen wollen, der alle
schlimmen Vorurtheile gegen das
Stück erwecken
sollte,
so hätte
st Du keinen
be
ssern finden können. Du mußt es umtaufen. Kann
st und will
st Du es nicht »
Eine Liebschaft« nennen – das
wäre das weitaus Be
ste –
so
|möchte ich Dir
vor
schlagen: »
Arme Liebe«.
Leicht
kan kann
st Du der
Christine im dritten
Akt noch zehn Worte in den Mund legen, die
die
sen Titel erklären
:↓;↓ oder noch be
sser der Vater
soll es zum
Schluß sagen: »Wein’ Dich aus,
armes Kind. Wenn arme Leute lieben,
so dürfen
sie nichts bean
spruchen, als
Thränen.«
D In der Größe
seines Schmerzes wird der
Alte aphori
sti
sch
.↓–↓ ein einziges Mal. Das wäre um
so wirk
samer. Und denk’ Dir nur, was
sich für eine
|große
allgemeine Per
spektive
sich am
Schluß durch die
se Worte noch öffnen würde. Das wäre doch be
sser, als die
Fen
ster-Ge
schichten . . . . .
Vielen, vielen Dank, mein lieber Freund, für den großen Genuß, den Du mir ver
schafft
ha
st. Wie
stehts nun mit der
Aufführung? Schreib’ mir
bald und ausführlich.
Zwei Bitten: Er
stens. Ich habe zum Neujahr ein
schönes
Alt-
Wiener Bild erhalten, von
Artaria.↓,↓ mit dem ich mich unbändig gefreut habe. Aber ohne
|Begleitbrief. Ein
so zart
sinniges, von Herzen zu
Herzen gehendes Ge
schenk kann nur von
Jemandem aus
Deinem Krei
se herkommen. Sag’ mir, wer der
Spender i
st.