Ich habe nun
Altenberg, seinen
Bruder und seinen
Arzt gesprochen und glaube ein klares Bild von der ganzen Sache zu haben.
Altenberg ist vor zirka 4–5 Monaten wegen eines akuten
alkoholischen Irreseins nach
Steinhof gebracht
worden. Die schweren Erscheinungen, Verfolgungsideen etc., die, erst in der Anstalt
selbst auftraten, dürften (was mir ärztlicherseits allerdings nicht gesagt wurde)
auf
die plötzliche vollkommene Abstinenz zurückzuführen gewesen sein (die man jetzt, ich
weiss nicht recht warum, statt der früher geübten allmählichen Entwöhnung in vielen
Fällen anwendet). Ich habe
Altenberg geistig
frischer gefunden als seit langer Zeit, nur eben sehr erregt, weil er schon gerne
auf
den
Semmering möchte. Freilich besteht die
Gefahr, besser die Sicherheit, dass er ohne ärztliche Aufsicht sofort wieder zu
trinken und bald auch wieder alkoholisch
zu exzedieren anfängt. Diese Gefahr wird aber gerade so wie
heute in acht Tagen, in vier Wochen und in einem halben Jahr bestehen. Dazu kommt,
dass seine steigende Erregung wegen der Internierung in
Steinhof seinem allgemeinen Zustand kaum förderlich sein dürfte.
Dies alles habe ich auch
Peter Altenbergs Bruder gesagt, und da
auch der
Chefarzt gegen
P.
A.’s Entlassung nichts einzuwenden hat, wenn der
Bruder die Verantwortung übernimmt, (man
muss allerdings fragen, wofür?), so dürfte
P.
A. in wenigen Tagen die Reise auf den
Semmering antreten können. Der
Bruder möchte nur, was ich sehr vernünftig finde, dass
P. A. wenigstens anfänglich nicht im Hotel,
sondern im
Kurhaus, also unter recht bescheidener
ärztlicher Aufsicht wohne. Für den Fall, dass sich das nicht durchführen liesse, wäre
auch die Begleitung durch einen Wärter in Erwägung zu ziehen.
P. A. möchte selbst sehr gern seinen
Wärter aus dem Sanatorium für ein paar Tage
mitnehmen, wenn dem nicht, wie es den Anschein hat, von Seiten der Anstalt
Schwierigkei
ten
entgegengesetzt würden. Es hat meiner Ansicht nach wirklich keinen Sinn
Peter Altenberg länger in
Steinhof zu halten, wenn auch kaum zu bezweifeln ist, dass nach
einiger Zeit ihm ein neues Delirium und wahrscheinlich eine neuerliche Internierung,
die ja dann der Umgebung wegen nicht zu vermeiden ist, bevorstehen dürfte. Von den
Degenerationserscheinungen, die man nach allerlei Gerüchten hätte befürchten können
habe ich bei
Altenberg nicht das Geringste
bemerkt, und ich glaube, wenn auch vielleicht die
plötzliche
Abstinenz zu Beginn der Anstaltsbehandlung nicht ausschliesslich von Vorteil
war, dass der Aufenthalt im Ganzen↓für ihn gewesen war↓, – die geänderte Lebensweise im weiteren Verlauf und alles was damit
zusammenhängt hat ihm sicher nur gut getan. Was natürlich kein Anlass ist den
Aufenthalt ohne Notwendigkeit zu verlängern.