Arthur Schnitzler an Georg Brandes, 25. 4. 1901

|Wien, 25. 4. 901.

Lieber Herr Brandes,

Paul Goldmann hat mir Politiken mit Ihrem Artikel über mich gesandt und ich versuchte dänisch zu verstehen, was mir nur zum Theil gelang; die Neue Freie Presse kam mir zu Hilfe – und Sie können sich denken, wie sehr ich mich gefreut habe, als ich nun alles, was Sie über mich schrieben, wenn auch nur in der Übersetzung lesen konnte. Lassen Sie mich Ihnen die Hand drücken – und |weiter nichts sagen – wie es Ihnen ja gewiss am liebsten ist.
Sie haben hoffentlich meine Karte aus Rom bekommen und wissen, dss ich Ellen Key kennengelernt habe, die mir zu meiner Freude erzählte, dss Sie den letzten Winter in vollkommener Gesundheit verbracht haben. Wenige Tage nachdem ich Ellen Key, deren Wesen mir wahrhaft wohl that, bei Wassermanns kennen gelernt, traf ich sie ein zweites Mal und |Helge Rhode, den sie mitbrachte. Ich war kaum zwei Wochen in Rom, eben genug, um zu wissen, wie man es ein nächstes Mal anzufangen hat, um seine Zeit gut auszunützen. Von Rom ging ich nach Florenz, wo ich mit meiner Mama Rendezvous hatte – aber den Frühling fand ich nirgends. Man fror beinah immer.
Sie waren – oder sind noch? – in Berlin, wie mir Georg Hirschfeld |schrieb; wann kommen Sie wieder zu uns? Sie würden nicht viel verändert finden – Beer Hofmann hat nun auch zu seinen Töchtern einen Sohn bekommen, aber von dem ist begreiflicherweise noch nicht viel zu erzählen. Ich werde diesmal wahrscheinlich sehr bald ins Gebirge reisen; und nach mancherlei Kleinigkeiten, die ich in der letzten Zeit gemacht, mich wohl endlich wieder an was größeres |wagen. Einen kleinen Roman, den ich vorigen Winter schrieb, haben Sie wohl schon erhalten. Die Beatrice ist im Dezember einige Male in Breslau gespielt worden, ohne besonderes Glück. Auch war die Darstellung recht schwach. Eine gute Aufführung müßte dem Stück wohl Erfolg bringen. Aber das Burgtheater hat wichtigeres zu thun. –
Leben Sie wohl und seien Sie herzlich gegrüßt von Ihrem treuen
ArthurSchnitzler
|Dieser Tage erscheint eine Novelle von mir, die ich Ihnen natürlich schicken werde, Lieutenant Gustl, – Sie haben sie vielleicht in der N. Fr. Pr. gelesen. Wegen dieser Novelle stehe ich – (da ich noch Militärarzt »in der Evidenz« bin) in »ehrengerichtlicher« Untersuchung und werde wahrscheinlich meine Charge verlieren. Wenn Sie die Novelle |noch nicht kennen und sie lesen werden – und sich dieser Mittheilung erinnern – wird Ihnen wieder manches »oesterreichische« klar werden.Die Sache ist für mich natürlich gleichgiltig – da ich ja mit den Leuten nichts mehr zu thun habe und meine Charge nur im Kriegsfall von Bedeutung wäre – aber sie ist charakteristisch für |die man könnte sagen naïve Heuchelei in Kreisen, von denen man in gewissem Sinne immer abhängig ist; wenn sie auch keine unmittelbare Macht über einen besitzen.
Ihr
A. S.
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