Sehr verehrter Herr Doktor,
ich hatte
gestern
die Freude, der erfolgreichen Aufführung Ihres »
Ruf
des Lebens« beizuwohenen. Es wäre ungeziemend wollte ich mir eine Bemerkung
über das Wesen und den Wert des
Stückes ↓zu↓ Ihnen ungefragt gestatten, aber das darf ich Ihnen wohl
sagen, dass ich vielleicht niemals von einem Ihrer Werke im Theater einen so
gewaltigen und wirklich die letzten Erschütterungen aufwühlenden Eindruck empfunden
habe. Sie bedürfen heute längst nicht mehr einer Zustimmung – am wenigsten von uns,
die wir alle an Ihnen zu lernen haben – aber eben, weil diesem
Stück soviel Missverständnis –
feind
|lich oder auch freundlich –
gegenüber stand, möchte ich Ihnen sagen, dass ich das Gefühl gänzlichen
Einverständnis hatte. Ich habe wie selten hier die Gefühle in einer nah
ten und doch nicht schamlosen menschlichen
Körperlichkeit gefühlt und den ungeheuren Raum wirklich mit einem süssen und
bezwingenden Schrecken aufgerissen gesehen, der zwischen dem intensivesten Leben und
dem Nichts plötzlich aufspringen kann. Nie, soweit ich Ihr Werk überschaue, haben
Sie
eine ähnliche Gewalt über das Schicksal gezeigt und ich wäre froh, wenn Sie sich
dieses
Stück nicht um ein paar theatralischer
Dinge willen jemals verärgern oder minder lieb haben liessen. Ich werde Ihnen immer
dafür dankbar sein und ich glaube, immer mehr werden sich finden, die es so fühlen
werden: nicht um des Gesagten willen, der Worte und der Menschen sosehr, sondern um
der ungeheuren Vitalität willen, die aus jedem Wesen darin atmet. Diese feindliche
Um
|schlingung von Leben und Tod, die
feurige Secunde ihres Einswerdens in der Leidenschaft wird mir unvergesslich eine
der
schönsten Erinnerungen an den Abend sein.
Nehmen Sie also innigen Dank für dieses
Werk,
das alte Liebe und Verehrung bei mir nur vermehrt, bekräftigt und vertieft hat. Wie
freue ich mich Ihrem nächsten entgegen!