Paul Goldmann an Olga Gussmann, 9. 3. [1901]

Berlin, 9. März.

Liebes Fräulein Olga,

Dr. Schnitzlers Stück kam infolge unzureichender Darstellung nicht zur rechten Wirkung. Auch hatte man die Unverschämtheit und Taktlosigkeit, es ganz zuletzt, um ½ 11 Uhr Abends, nachdem das Publikum bereits durch ein überlanges Programm ermüdet war, aufzuführen.
Dr. Schnitzlers Anwesenheit thut mir sehr wohl, und ich werde mich nachher nur umso einsamer fühlen.
Ich gratulire Ihnen zu ihren schauspielerischen Erfolgen, von denen Sie mir mit so überzeugender Beredsamkeit berichten. |Selbstverständlich werde ich bei Lindausoweit es in meinen schwachen Kräften steht, Ihnen behilflich sein.
Zerbrechen Sie sich nicht den Kopf über das Künftige. Erstens nützt es doch nichts, und zweitens kommt das Künftige schon von selbst, wenn man jung ist und Talent hat.
Ich würde mich freuen, wenn Sie nach Berlin kämen. Dann hätte auch ich »doch wenigstens eine bekannte Seele in der Stadt« (wie Sie sich in Bezug auf mich ausdrücken).
|Hoffentlich sind Sie wieder in guter Stimmung, wenn dieser Brief ankommt. Ist das Leben wirklich so bitter? Ich finde aber, alle Bitterkeit macht auch nichts, wenn es nur hier und da einen süßen Schluck gibt. Nur ganz ohne süßen Schluck ist es schwer zu tragen.
Ihr Bild soll willkommen sein.
Ich habe Ihnen lange nicht geantwortet, weil ich wenig Zeit zum Schreiben habe und weil – weil – weil ich nicht recht wußte, |was ich Ihnen antworten sollte.
Grüßen Sie Ihr Schwesterlein und seien Sie selbst recht herzlich gegrüßt von
Ihrem ergebenen
Dr. Paul Goldmann
Grüße an Herrn Paul!
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