Paul Goldmann an Arthur Schnitzler, 8. 4. [1904]

|München 8. April.

Mein lieber Freund,

Dein lieber Brief (mit dem ich mich sehr gefreut habe) und Deine Karte wurden mir hierher nachgesandt (Frau Bondy: Prag, Mariengasse 45). Ich habe eine kleine Erholungsreise gemacht, bei der ich mich freilich wenig erholt habe. Ins Gebirge konnte ich nicht wegen des schlechten Wetters. So bin ich in Etappen nach München gefahren: Weimar, Eisenach (mit der reizend gelegenen und wegen der Fresken Schwindts überaus sehenswerthen Wartburg), Würzburg (herrliche Fresken von Tiepolo), Bamberg (ein großartiger Domplatz auf einem Berge), Regensburg |(schöner gothischer Dom) und München. Ich wohne wieder im Hotel Marienbad und gedenke der schönen Tage, die wir vor Jahren hier verbracht haben.
Daß das Verbot des »Reigen« Dir keinen Schaden gethan hat, freut mich sehr. Auch hast Du ganz Recht, daß Du vorläufig in der Öffentlichkeit nichts darüber verlauten lassen willst. Wenn es zum Prozeß kommen sollte, wird dazu immer noch Zeit sein, – falls es überhaupt nothwendig werden sollte. Immerhin ist es wichtig, daß in dem Prozeß Dein Verleger durch einen tüchtigen Anwalt vertreten wird, der fähig |ist, die Angelegenheit von einem höheren Standpunkte aus zu erörtern.
Eure Frühjahrsreise nach Sizilien wird sehr schön werden. Durch den Aufschub ist Euch das schlechte Wetter erspart geblieben. Ich wünsche Euch den schönsten Sonnenschein. Nur folltest Du länger als einen Monat bleiben. In vier Wochen ist die Reise vielleicht etwas anstrengend.
Meiner Freundin geht es, nachdem die drohende Gefahr  glücklich abgewendet ist, recht gut. Sie hat mir mehrmals Grüße für Dich aufgetragen. Wie sich unsere Zukunft gestalten wird, weiß Gott allein. Wenn | ich sie nicht habe, wie jetzt, ssehne ich mich nach ihr; war ich aber vier Wochen mit ihr zusammen, so habe ich, wenn sie wegfährt, ein Gefühl, der Freiheit. Es scheint, daß man von einer Frau niemals gerade so viel hat, als man braucht, sondern immer nur entweder zu wenig oder zu viel.
Ich leide seit einer Woche an Kopfschmerzen, die ich mir durch Zuviel-Sehen und Zuviel-Herumreisen zugezogen habe. Nimm’ Dir ein warnendes Beispiel für Sizilien!
Schreib’ mir bald wieder und sei, sammt Frau und Kind (was macht Heinrich?) herzlichst gegrüßt von Deinem getreuen
Paul Goldmann
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