Lieber, zur
Premiere kann ich nun leider doch nicht nach
Berlin; schade. Ich werde erst so gegen 14.
ten März reisen; und habe vorher noch enorm viel
zu thun. Was sagen Sie zum
Teufelskerl? Das Stück hat Herr
Wiene ruinirt, wie vorauszusehen war. Sehr fühlbar wurde mir die tiefe
Unmoral
, die darin steckt, wenn das Alter sich als Jugend
verkleidet und geberdet. Der Widerwille, den man bei solchem Schauspiel empfindet
geht bis an ein sexuelles Missbehagen, wenigstens begreift man die Nervenzerrüttung
einer Frau, an der ein impotenter Mann heuchlerische Versuche vornimmt, denn mit
ähnlicher Bereitwilligkeit zur Empfängnis sitzt so ein Publikum im Theater. Mir wäre
es sehr lieb, wenn Sie mir statt einer Ansichtskarte einmal näheres über die Proben
ec.
Berlin ec. schrieben, falls es Ihre Zeit
gestattet.
In Angelegenheit der
Mirjam H. muß ich Sie
nochmals bemühen: bald und möglichst schonend. Sie schreibt mir heute einen confusen Brief; ob sie »nach hier« kommen
soll, oder wann ich »nach dort« komme, ferner, dass ich nicht durch mein Wort an
ihren
Vater gebunden bin,
falls
sie mit
mir
verkehrt, endlich, dass ich an einen Vertrauten von ihr schreiben soll, das sei auch
nicht gegen mein Versprechen ec. Dann noch recht enervirende Dinge
von »sich angehören vor aller
|Welt –« »den Leuten zum Trotz« ec. und in diesem Stil, der die Liebe recht
unangenehm macht.
Das Wesentliche an der Sache: dass ich ihrem
Vater wahrscheinlich kein Versprechen gegeben hätte, wenn
ich
Mirjam sehr lieb hätte. Ferner: dass ich
aber, nun ich das Versprechen gab, keine Lust habe Geschichten zu machen. Bringen
Sie
ihr das bitte schonend bei. D
as mit dem Versprechen nämlich, und
vor allem, dass sie nichts gewinnt, wenn sie gewaltsame Streiche macht, da mir solche
von jeher zuwider waren. Aber bitte, seien Sie sehr schonend, weil sie mir mit
Selbstmord droht, was auch eine hübsche Gewohnheit von ihr ist.
Am 14. fahre ich auf 8 Tage nach
Berlin. Im April voraussichtlich
nach
Bosnien und
Dalmatien. Im Mai nach
London auf 14 Tage.
|Ich lese jetzt die »
Gespräche des göttlichen Aretino,« und finde darin zu
meinem Erstaunen die römische Buhlerin, die Bekenntnisse ablegt. Sie wissen, dass
ich
ein solches Buch schreiben wollte. Arbeiten kann ich nur wenig, da mir die
Zeit fast
alles weg nimmt. Nun soll
Aram fort, und ich
für 8400fl
. jährlich auch das Feuilleton übernehmen; außerdem
heißt es, – mit mir wurde
noch nicht davon gesprochen – dass ich
Chef-Stellvertreter werden soll. Ich wünschte mir, dass der Tag dann – 36 Stunden
haben möge, eine
Erhöhung, mit der ich noch mehr einverstanden wäre. Für
London habe ich mir jetzt eine
Engländerin
angeschafft,
die 3mal die Woche kommt. Ich beginne
den
»Hund |von Florenz« den ich vielleicht dann in
Bosnien fertig mache.
Schreiben Sie mir bitte recht bald. Bin neugierig, wie sich Herr
Jacobsohn benehmen wird.
herzlichst Ihr
Salten