Ich komme leider er
st heut dazu, Deinen lieben Brief
zu beantworten, der mir große Freude bereitet hat, weil er mir wieder einmal
eingehenderen Bericht über Dein Ergehen gab. Ich habe eine ganze Woche lang an einem
Feuilleton über den »
Herrn von Abadessa« (bezüglich de
ssen
ich Deine An
sicht voll
ständig theile) ge
schrieben und zu nichts Anderem Zeit gefunden. Jetzt
fürchte ich, daß die Rie
senarbeit vergeblich gewe
sen i
st, weil ich
sehr
scharf über
Dörmann abgeurtheilt habe und weil man mir kaum erlauben
|wird, über einen früheren Mitarbeiter der
N. Fr. Pr. scharf zu urtheilen.
Es freut mich
sehr, zu hören, daß es
Olga be
sser geht. Näch
stens
schreibe ich ihr wirklich. Ich zweifle nicht, daß die
se Aus
sicht
die Be
sserung im Befinden der verehrten
Freundin be
schleunigen wird. Wie unendlich gern ich im März mit
Euch in die
Berge gehen möchte,
brauche ich nicht er
st zu
sagen. Ich habe die ganze Rei
se bereits in der Phanta
sie
gemacht und dabei
sehr
schöne Stunden mit
Euch verlebt. In der Wirklichkeit werde ich
sie nicht machen
können. Ich könnte höch
stens zu O
stern ein paar Tage fort. Und der Weg von hier nach
Salzburg oder gar
|nach
Südtirol
i
st für die drei oder vier Tage Urlaub, die ich mir nehmen könnte, allzu weit. Etwas
Anderes wäre
ich↓es↓, wenn
Ihr nach
Deutschland kommen könntet (
Sächsische Schweiz, oder
Wiesbaden). Da könnte ich um O
stern herum ein paar Tage mit
Euch sein. Aber daran i
st ja wohl kaum zu denken. Ich
wenig
stens würde
sicher nicht nach
Wiesbaden kommen, wenn ich nach
Südtirol gehen
könnte.
In der Affaire
Matassich ha
st Du vollkommen Recht. Es war bei mir nur
so eine Regung, als ich die
Rede Daszinskys las.
|Namentlich
schien es mir, es
sei für Dich eine
schöne Gelegenheit, Dich bei den Herrn für die Entziehung der Charge zu revanchiren. Du weißt, ich bin rach
süchtig. Jetzt bin ich
sehr zufrieden,
daß Du von der gefährlichen Ge
schichte die Hände wegläßt.
Die »
Lebendigen Stunden« werden
sich hoffentlich
in der näch
sten Sai
son über die deut
schen Bühnen bewegen. Vielleicht i
st die
schon
vorgerückte Sai
son daran
schuld, daß es ein
stweilen nicht recht vorwärts geht. In der
Berliner Ge
sell
schaft höre ich überall mit
Entzücken davon
sprechen.
|Kochs Kritik sende ich Dir
anbei zurück. Es freut mich, daß
sie
so gün
stig ausgefallen i
st.
×××××××××××××××× Son
st
scheint mir die
ser
Kritiker ein recht unbedeutender Kopf zu
sein.
Ich danke Dir für Deine freundlichen Worte über mein
Opern-Feuilleton und halte Deine Aus
stellung bezüglich der
allzu großen Länge einzelner Ab
sätze für nur zu berechtigt. Ich fühle es
selber, daß
es mein
schwer
ster
schrift
stelleri
scher Fehler i
st, nicht kurz
sein zu können. Aber
beim Schreiben werde ich von einem beinahe krankhaften Drang befallen, Alles bis auf
den Grund auszu
schöpfen.
|Daher kommen die Längen,
über die ich dann er
schreckt bin, wenn ich die Arbeit gedruckt
sehe. Wie lernt man,
kurz zu
sein? Kann
st Du mir nicht ein Mittel
sagen?
Mein
Onkel schreibt mir mit
höch
stem Enthu
siasmus von einem im
Wiener Verlag
er
schienenen Buch »
Christiania-Bohême« von
Hans Jaeger.
Hör
st Du etwas von dem neuen Blatt, der »
Zeit«?
Im Sommer ha
st Du mir ein
Buch ge
stohlen; das
über den
|Talmud. Ich brauche es und
schreibe
↓heut↓ an
Richard, er möge mir doch Titel und
Verlag angeben, damit ich es mir kommen la
ssen kann. Da ich aber die
se Anfrage an
Richard für ein völlig aus
sichtslo
ses Unternehmen halte, bitte ich Dich (wenn Du das
Buch nicht
selber
brauch
st), mir es gelegentlich zu
schicken. I
st
Richard wieder ganz ge
sund?
Ich
sende Dir anbei zwei
Feuilletons der der
Frankfurter Ztg. über »
Moderne Religion«, die mich
zum Nachdenken
|sehr angeregt haben.
Schreib’ mir bald, grüße die
Mädels und
sei
selb
st vielmals und von Herzen
gegrüßt!
Dein
Paul Goldm