Paul Goldmann an Arthur Schnitzler, 13. 12. [1901]

Berlin, 13. Dezember.

Mein lieber Freund,

Das Verhalten des Volkstheaters isskandalös, und Dein Brief ist unter diesen Umständen nur der Ausdruck legitimer Entrüstung. Ob es aber klug war, die Beziehungen ganz abzulehnen, kann ich von hier aus nicht beurtheilen. Dazu bedarf ich Deiner mündlichen Aufklärungen. Herr Bahr scheint da wieder eine feine Rolle gespielt zu haben. Wie aber wird die Zukunft sein? Wenn Du in Wien kein Theater mehr hast, wirst Du, so denke ich mir, nach Berlin übersiedeln. Hier wirst Du die Stellung finden, die man Dir in Wien versagt. Und |auch Deine Weiterentwickelung könnte nur günstig beeinflußt werden, wenn Du die engen Wiener Verhältnisse verließest und in die große Welt hinauszögest.
Die Karte, die wir Dir sandten, war in der That bei Dr. Friedmann geschrieben.
Warum führt der Akademisch-Literarische Verein, der sich in Wien begründet hat, nicht den »Schleier der Beatrice« auf?
Ich hoffe um Weihnachten herum etwa 14 Tage in Frankfurt bleiben zu können bis zur Wiedereröffnung des Reichstags (8. Jänner). Ich bin |unbeschreiblich heruntergearbeitet und bedarf der Ruhe und Erholung. Daß Deine Première in meine kurze Ferienzeit fällt, ist ein Zusammentreffen, das sich ausnimmt, als sei diese Anordnung von einer feindseligen Hand getroffen worden. Ich werde von Dir nicht verlangen, daß Du meinetwegen Deine Première verschiebst. Aber mit Rücksicht auf das Referat in der N. Fr. Pr.×, das doch von großer Wichtigkeit sein wird, könntest Du schon eine Verschiebung um ein paar Tage vornehmen, unter igend einem Vorwande. Ich werde sehen, ob ich hier einen anständigen und verläßlichen |Vertreter finden kann. Wenn nicht, so werde ich meinen Urlaub abkürzen und zur Première zurückkommen.
Viele herzliche Grüße Dir und den Mädeln!
Dein
Paul Goldmn
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