lieber Freund, ich frage mich nun wieder einmal, ob es nicht be
sser
wäre alles, was man gegen jemanden, der einem nahe
steht auf dem Herzen hat, zu
ver
schweigen, um ein Verhältnis, wie auch nicht in der Höhe ab
soluter Ehrlichkeit,
doch wenig
stens auf dem Niveau angenehmer Unterhaltung
|und gelegentlicher intellectueller Aus
sprache
weiterzuführen. . Ich habe Ihnen
nicht ××××↓einfach geschrie↓ben, nicht ohne Erregung, vielleicht nicht ganz ohne Ungerechtigkeit, was
mich in Ihrem
Feuilleton befremdet, durch welche Bemerkg ich mich
am Ende
sogar unangenehm berührt fühlen durfte. Gut. Darauf
schreiben Sie mir einen
sehr
|schönen Brief, in dem Sie mich allerdings nicht vollko
mmen
überzeugen, der mir aber als ganzes wohlgethan – und der jedenfalls alle Reste von
Bitterkeit (oder halten Sie mich für nachträgeri
sch?) weggewa
schen hat. Und nun ko
mmt, da ich eben bereit bin, die Sache als erledigt zu
betrachten, und nach der Aus
sprach von beiden Seiten
|Ihnen wie
son
st die Hand zu drücken, da ko
mmt die
ser ärgerliche,
enervante Schlu
ss – in dem Sie
sich von der Vorle
sung zu ab
sentiren wün
schen, zu der ich Sie als einen Freun
d
und als einen Men
schen, de
ssen Urtheil mir aufs höch
ste werth war u i
st (auch we
nn er
sich wie wir alle
|gelegentlich irrt oder, wie alle einmal
misver
ständlich ausdrückt) eingeladen habe – ko
mmt die
unglaubliche Bemerkung: »Ich überlege mir – ob es einen Werth für Sie haben kann,
we
nn ich jetzt Ihrer Vorle
sung beiwohne. . « – Nicht als ob mein Urtheil über Sie befangen oder
schwankend gemacht werden könnte – aber
ich↓wie↓ ich Ihnen nun meine
|Meinung
formuliren
soll – u wie Sie
sie aufnehmen werden . . . . . lieber Freund, hier ver
sagt mir die Antwort. Soweit ich
mich erinnere, haben wir einander in mündlichem Verkehr wenig
stens bisher nicht
misver
standen.
Durch n↓N↓ichts gibt Ihnen das
entfernte
ste Recht zu
bezweifeln↓vermuthen↓, da
ss ich Sie aus einem andern
|Grunde zu mir bitte, als weil ich Werth auf Ihr Zuhören und auf Ihr Urtheil wie auf
Ihr Eingreifen in die Discu
ssion lege. Ich darf von Ihnen verlangen, da
ss Sie mir und
der Aufrichtigkeit
↓und Unbeeinflußtheit↓ meiner Motive
glauben, wenn ich zu Ihnen rede. Empfindlichkeiten, Nervo
sitäten, Befan
|genheiten, Unklarheiten
stören un
sere
Beziehungen
seit Jahren. Das Mistrauen aber wäre einfach die Todeskrankheit. Und an
dem, wenig
stens an dem, bin
ich völlig un
schuldg. Ja
können wir de
nn wirklich nicht
so zu einander
stehen –
wie Men
schen, die in klaren Worten zu einander
sprechen?
|mü
ssen Meinungsver
schiedenheiten immer wie
Nebel
sein, die un
sre Phy
siognomien vor einander verbergen –
statt Blitze, die
sie
erleuchten?