Lieber, vor allem: Ihr Brief vom
Semmering gab mir ein
Recht zu der Annahme, Sie seien
verletzt, und seien in manchen Dingen, die bisher zwischen uns fest standen
erschüttert worden. Das legte mir, in
meiner Erregung
(die Sie begreifen müßen) den Gedanken nahe, ob es rathsam sei, sich nach diesem
brieflichen Unwetter
sogleich wieder auf kritischem Boden zu treffen.
Nur weil die Vorlesung so
unmittelbar bevorsteht, kam ich darauf,
sie in den Kreis der Discussion zu ziehen, und was also ein zufälliges
Zusammentreffen war, nehmen Sie als ein Misstrauen pro futuro.
Ich habe lediglich in einem Gefühl, – wie soll ich sagen? – des Respectes vor der
unberührten Stimmung, die sonst bei unseren Vorlesungen
obwaltet, lediglich aus dem Wunsch und aus der Besorgnis, die absolute Klarheit
dieser für uns alle so notwendigen Athmosphäre ungetrübt zu erhalten, darauf
hingewiesen, dass diese Vorlesung Sie vielleicht noch
nicht ganz in ruhiger Unbefangenheit mir gegenüber finden wird.
Mein Brief war in seiner sachlichen und gründlichen Ausführlichkeit allein schon ein
Freundschaftsbeweis. Alles, was ich darin sage, kann garnicht
anders gedacht werden, als dass ich mir die äußerste und ernsteste Mühe gab, einen
Freund über meine |Intentionen
aufzuklären, seine Verstimmung zu beheben. Dass ich auch dies Letzte, – ohne böse Absicht, ohne
einen schlimmen Nebengedanken – aussprach, ist wieder nur ein
Freundschaftsbeweis. Nichts in meinem bisherigen Verhalten gegen Sie, nichts in
meinem Brief gibt ihnen ein Recht zu der Annahme, ich hätte Ihnen ein häßliches
Misstrauen insinuiren wollen. Dagegen muß ich mich mit aller Entschiedenheit
verwehren.
Man ist doch nicht »nachträgerisch«, wenn man von einer Sache tiefer berührt wird,
Sie setzen consequent verletzende Worte, die ich nie
gemeint habe, für die besseren und einfacheren.
Ich hielt Sie, und mußte Sie für tiefer berührt halten, Sie überraschen mich mi↓jetzt↓ durch die Mittheilung, es sei Ihnen nicht möglich »dergleichen schwer« zu
nehmen.
In Ihrem ersten Brief sagen Sie mir klipp und klar, Sie seien an meiner kritischen Aufrichtigkeit irre geworden. Und das las ich Sonntag.
Weil ich nun besorgt wurde, wie das am Donnerstag sein
wird, eine Besorgnis, von der Sie sehr genau wissen mußten, dass sie mich ebenso wie
der Vorwurf kränken muß, werden Sie heftig.
Sie hätten mir ruhig sagen können: »Die Sache wirkt freilich noch in mir nach, – aber
ko
mmen
|Sie.« Oder Sie hätten mir sagen
können: »es ist kein Rest davon mehr in mir!« Ich wollte weder ein Vertrauensvotum
provoziren, noch Ihnen ein Misstrauen aussprechen; – ich wollte Klarheit in einer
Sache, die mir so sehr am Herzen liegt, wie unsere Vorlesungen! Ich wollte nicht,
mit
dem leisesten Schatten einer Besorgnis nach dieser Richtung Ihr
Werk hören. Dass ich solche Dinge
aussprach, ist einfach ein Beweis subtiler Ehrlichkeit. Dass Sie mir darauf
so antworten, legt auch mir die Frage vor, die Sie am
Anfang Ihres zweiten Briefes aufwarfen, »ob es nicht besser sei, ec.«
Ich will auf die so sehr heftigen und verletzenden Dinge, die Sie mir schreiben,
nicht eingehen. Jetzt nicht. Vielleicht sprechen wir nach der Vorlesung über den
Anspruch auf Erregung und Ungerechtigkeit, den Sie für sich selbst geltend machen,
und den Sie mir nicht zubilligen wollen, über das hohe Niveau »absoluter
Ehrlichkeit,« auf welchem ich unsere Beziehungen
nicht solle halten können, und auch darüber, dass von Ihrer Seite
das Wort »Bruch« in dieser Angelegenheit fallen konnte. Lieber wäre es mir, und
erwünschter freilich gewesen, wenn alles vorher
zwischen uns ins Reine gekommen wäre. Aber offenbar können
Briefe, die aus dem Temperament und nicht aus Vorbedacht geschrieben werden, eine
Sache beiderseits nur verwirren. Ich resumire: Nie werde ich |zu der Empfindung zu überreden
sein, dass ich an dem Abbruch unserer Beziehungen
Schuld trage, und nie werde ich dieses Auseinandergehen verhindern, wenn mir gesagt
wird, dass ich enervante Wirkungen ausübe, und wenn ich sehe, dass ein noch so
zartgemeintes Bedenken mir als Misstrauen ausgelegt werden kann. Dagegen werde ich
alles aufbieten, eine Freundschaft zu erhalten,
die ich als die einzige meines Lebens bezeichnen muß, die mir bisher – ich glaube
es
bewiesen zu haben – menschlich und künstlerisch theuer war, und die man in meinem
Alter ja auch nicht ohne starke Erschütterung verliert, – wenn mir wie sonst die
Möglichkeit bleibt, ohne Angst vor Missdeutungen, und ohne Angst vor verzeihender
Milde, alles rückhaltlos zu sagen was ich denke! Und es erscheint
mir leider notwendig hier noch etwas hinzuzufügen, dass mein schärfster Gedanke ↓gegen Sie↓ bis auf den
heutigen Tag noch nicht scharf genug gewesen ist, um auch nur eines Kindes Haut zu
ritzen. Ich meine: darauf kommt es an!
Ihr F S.