lieber, wir ko
mmen eben von einem
Ausflug zurück und ich finde in der
Zeit Ihr
Reigenfeuilleton. Über
seinen
kün
stleri
schen Werth i
st weiter nichts zu
sagen; es i
st vorzüglich. Und we
nn es den Titel trüge »
Anatol u der Reigen
[«] so wäre es
einfach mei
sterhaft zu ne
nnen. Da es aber heißt:
Arth. Schn. u sein Reigen,
so habe ich
etwas einiges zu bemerken, und da Sie es ge
schrieben,
so mü
ssen Sie
|meinen Bemerkungen verzeihen,
dass ↓wenn↓ sie etwa einen Ton des Er
staunens verrathen
sollten, auf den Sie
wahr
scheinlich nicht vorbereitet
sind. Aber ich möchte nicht, da
ss sich durch
Unaufrichtigkeit oder Zurückhaltung meiner
seits un
sere Beziehungen ganz
überflü
ssigerwei
se verdunkeln
oder nur ××××× ××× soll
en↓ten↓,
sondern ziehe es vor, Ihnen gleich, vielleicht allzu
sehr in der er
sten
Erregung, aber völlig ehrlich
|zu
sagen, was
ich gegen Ihr
Feu[i]lleton auf dem Herzen habe. Es kam mir vor allem
überra
schener als ich
sagen ka
nn, meine bisherige
Production von Ihnen als Gold
schmiedearbeit u Kleinkun
st abgethan zu le
sen. Aus der
Art u Wei
se wie Sie
sich bisher im per
sönlichen Verkehr und in kriti
sch-öffentlicher
Erörterung vernehmen ließen, hab ich nicht vermuthet, da
ss Sie
Liebelei oder
Kakadu
oder
|Lebendige Stunden oder
Bertha Garlan zur Kleinkun
st rechnen. Vielleicht haben Sie
Recht (ich glaube es nicht) – und ich mu
ss mich nun fragen, wie ich Sie bis zum
heutigen Tage in allen Ihren Äußerungen über meine Sachen
so
sehr habe misver
stehen
kö
nnen.
× Wie oft haben wir gemein
schaftlich un
sern
Aerger, un
sern Zorn über die Kritiken ausge
sprochen,
|die, aus den ver
schieden
sten Gründen, in
jeder weiblichen Figur, die ohne den Trauring am Finger auftr
itt ↓at↓, mit
satani
schem Behagen, das »süße Mädel« wiederzuerke
nnen vorgaben . . . . für die
Christine und
Mizi und
Franziska und
Toni und
Margarethe und
Léocadie
und womöglich auch
↓die verwittwete↓ Bertha Garlan und die ehebrecheri
sche
Pauline nichts waren als die gleiche
Ge
stalt unter ver
schiedenen Na
|men – und nun
mu
ss ich es bei Ihnen
×××× le
sen, da
ss
die ××××liche es i
mmer die gleiche »niedliche«, »langwierige«
»Gefährtin« war, die mich begleitet hat und da
ss
es
mir er
st
mit↓in↓ der
Beatrice eine einigermaßen
neue Verkleidung der
altbekannten Figur gelungen i
st. Wie oft haben wir darüber geklagt, wie
Leichtfertigkeit und unguter Wille jederze
it daran
sind, den
producirend
en|Kün
stler in ein Ka
stl zu
sperren, wie oft
waren wir ergri
mmt
, üver
die Leute – verzeihen Sie d
ss ich mich
selb
st citire – für die der Ma
nn, der ein oder zwei Mal
seine grüne Cravate getragen –
immer u immer der Herr mit der grüne Cravate bleibt – und möge er
sich ein oder
zwei Mal mit anderfarbigen Crataven gezeigt haben – und nun
sind Sie es, den
|ich rufen höre: »Er aber
darf nicht weiterko
mmen . . So
nicht–« »Nun mu
ss ein andrer Rau
sch den Kün
stler umfangen –« als hätte mich wirklich
mein Lebtag nichts andres intere
ssirt, als – wie
Herzl einmal
schrieb
»ob die Poldi den Franzl kriegt,
oder ob der Rudi der Tini untreu wird« . . . als hätt ich immer
nur die gleichen Men
schen ge
staltet.
|ewig
die gleichen Situationen darge
stellt – ewig u immer nur die grüne Cravate getragen!
Und wieder frag ich mich: Ja hat er am Ende Recht?. I
st es nicht
sehr wahr
scheinlich,
da
ss er Recht hat, herade er, der dich
seit deinen er
sten Anfängen
schä↓ke↓nnt und
schätzt – und befinde
st du dich am Ende wirklich in der
lächerlichen Selb
sttäu
schung mancher
|Kün
stler, die ihr kun
stgewerbliches Behmühn für echtes Kun
stbe
streben, und ihren
Winkel für eine Welt halten? Und mußt Du wirklich jedesmal we
nn du ein weibliches We
sen neu zu ge
stalten glaubte
st auf
den Hohnruf gefa
sst
sein . . . das
süße Mädel . . . Und jedesmal we
nn du
die↓eine neue↓ Beziehung
zwi
schen zwei Men
schen ver
schiedenen Ge
schlechtes dar
s↓zu↓stellen
|denk
st – vor dem Echo
»
Liebelei« zittern – und immer immer wieder,
we
nn du in eingebildeter Freiheit mit den Gebilden
deeiner Phanta
sie zu
schalten mein
st – immer wieder erfahren, da
ss du in dem alten
Ka
stl
steck
st, da
ss Du nie verla
ssen ha
st? – Ich will es Ihnen nicht verhehlen . . . niemals noch hatt ich
so
sehr das Gefühl
|Es i
st alles vergeblich – du bi
st etikettirt
auf Lebenszeit, als während der Lecture Ihres
Feuilletons –
so viel Lob und Anerke
nnung Sie im übrigen über meine Kleinkun
st aus
sch↓gi↓eßen – und
so
sehr ich überzeugt bin, da
ss Sie von allen Seiten den
Vorwurf hören werden, mich in einen unverdienten Himmel gehoben zu haben. Der
Reigen i
st
1896/
97 ge
schrieben. Es i
st
|Ihnen bekannt, da
ss ich
seither einiges
andres gedichtet habe, gelungnes u minder gelunges. Die
Beatrice ziehen Sie allerdings noch in den Kreis Ihrer Betrachtungen – als höch
ste
Etappe auf meinem Süßen Mädl Weg. Auch der
Lieutenant
Gustl wird flüchtig erwähnt. Meiner An
sicht nach wäre beides überflü
ssig
gewe
sen, we
nn|Ihr
Feu[i]lleton den Titel trüge
Anatol und der
Reigen. Aber es heißt
Arthur Schnitzler u
sein Reigen. Und
Sie haben es ge
schrieben.
Nicht einmal, hundertmal haben wir über meine Production und
hund
ert Mal über meine Intention ge
sprochen . . Nicht einmal unter die
sen hundert i
st mir eine Ahnung aufgedämmert, da
ss
Sie auch heute noch den
Reigen|als das Endglied meines bisherigen Wirkens
auffa
ssen konnten, da
ss Sie glaubten ich
stün
Xde
heute noch dort, wo ich bei Ab
schlu
ss des
Reigens ↓dass ich↓ stand – aber
selb
st innerhalb der Epoche die von
Anatol bis zum
Reigen geht, von Ihnen als Gold
schmiedarbeiter u
Kleinkün
stler ange
sehen w
erden ↓ürde↓ – hab ich bis
|zum heutigen Tag
nicht geahnt, und, darauf ko
mmt es an, keines Ihrer
↓bis heute↓ Worte konnte mich vermuthen la
ssen, da
ss Sie mich
so
und nicht anders werthen. Gegenüber dem Befremden, da
ss ich in die
ser Hin
sicht
empfinde, ko
mmt heute,
seien Sie mir nicht bö
se, die
Freude noch nicht
|auf, da
ss Sie vieles von
mir mit
so hohen Worten prei
sen und da
ss Sie noch be
ssers von mir zu erwarten
scheinen. Aber gerade un
ser Verhältnis
↓über↓ das
so oft
XXXX Wolken von Misver
ständni
ssen und Ver
sti
mmungen hinziehen, verlangt nach Gewitter und reinem
Himmel. Es i
st möglich, da
ss Sie mich in die
sem Augenblick für
|Anmaßend halten und mich zu der traurigen
Sorte rechnen, »die aber wirklich auch den lei
sesten Tadel nicht vertragen«. So i
st
es nicht lieber Freund. Ich wei
ss, be
sser als irgend ein andrer, was mir und meinen
Arbeiten vorzuwerfen i
st. Auch meine Grenzen ke
nn ich.
Wei
ss auch, da
ss mein Be
streben,
sie aus
|zudehnen, nicht immer von Erfolg begleitet war. Aber darüber glaubt ich bis heute
mit Ihnen einig zu
sein – da
ss die mir Unrecht thaten, die auch in dem Dichter der
Liebelei und des
Kakadu nur den »Kleinkün
stler« erkennen wollten – und die –
für die ich im
Kakadu in der
Beatrice . . in der
Ber|tha
Garlan – von dem gleichen Rau
sch umfangen war . . als im
Anatol . . . – Und da
ss gerade die
se Töne, die mich an anderm Ort und
von andern Mu
sikern
so oft verletzt haben –
so deutlich unter der
son
st
so
schönen
Melodie Ihres
Feu[i]lletons von heute mitklingen, die
sem
Feu[i]lleton, mit dem Sie mich gewi
ss durchaus
|zu erfreuen glaubten – da
ss hat mir, – Sie werden es vielleicht ver
stehen, eine
bittere Stunde verur
sacht, und ich h
alte ↓ielt↓ es für angeme
ssen, Ihnen das nicht zu ver
schweigen.