Paul Goldmann an Arthur Schnitzler, 27. 7. [1899]

|Bayreuth, 27. Juli.

Mein lieber Freund,

Ich erhielt hier Deinen Brief aus Velden und freue mich, Dich in guter Gesellschaft an einem schönen See zu wissen.
Hier habe ich eben die vier Tage des Nibelungen-Ring absolvirt. Halbtodt vor Arbeit und Anstrengung. Aber gewaltige Eindrücke. Es ist unverzeihlich, daß Du noch nicht in Bayreuth warst, und Du solltest es möglich machen, wenigstens zum zweiten Cyclus im Augus herzukommen. Dieses Bayreuth gehört zum Größten in der gegenwärtigen deutschen Kunst, und man muß es einmal miterlebt haben.
|Von hier gehe ich nach Rennes, und alle meine Urlaubspläne hängen ab von dem Zeitpunkt, an dem der Prozeß zu Ende ist. Dauert er, wie ich voraussehe, bis tief in den August hinein, so kann ich dann fürs Erste nicht mehr fort, da im September Dr. Mamroth auf Urlaub geht, den ich vertreten muß. In diesem Falle würde ich nach Mamroths Rückkehr (wenn die Ereignisse in der Welt es erlauben u. ich zu diesem Zeitpunkt nicht etwa nach Grönland muß, um dort über eine Revolution der Eskimos zu berichten) so zwischen dem 5. und 10. Oktober meinen Urlaub |antreten u. nach Italien gehen. Die Aussicht, daß Du mitgehst, ist entzückend. Vielleicht kommt auch Richard mit. Defintives aber kann ich Dir erst nach meiner Rückkehr von Rennes sagen.
Ich wünsche Dir weiter recht viel Sommer-Erholung und recht viel sonnige Tage, in denen keine Schatten umgehen. Komm’ nur hierher und laß’ Dir vom Bayreuther Orchester Freude am Leben und Freude an der Kunst im Herzen entzünden!
In Treue
Dein
Paul Goldmann
|Viele Grüße an Deine Familie, wenn Du bei ihr bist!
    Bildrechte © Deutsches Literaturarchiv, Marbach am Neckar