Paul Goldmann an Arthur Schnitzler, 1. 4. [1896]

Fondateur M. L. Sonnemann.
Journal politique, financier,
commercial et littéraire.
Paraissant trois fois par jour. Paris, 1. April.
Bureau à Paris:

Mein lieber Freund,

Du siehst wohl, was Alles in der fransischen Politik vorgeht. Der Teufel ist los, und ich komme noch immer nicht dazu, Dir zu schreiben. Ich will Dir nur in der Eile für Deinen letzten lieben Brief danken. Auch für Deine Photographie, die mich unendlich erfreut hat, habe ich Dir wohl noch nicht gedankt. Richard Specht ist hier und macht mir viel Vergnügen; er ist ein lieber, sanfter Mensch geworden; aber Talent hat er wohl nicht; er las uns ein Vers-Drama: Verse, aber keine Poesie. Armer Bursch! Er möchte so gern!
|Was Du über die Judenfrage im Zusammenhang mit Herzls Buch schreibst, ist prächtig und mir ganz aus der Seele gesprochen. Aber das Buch ist wirklich albern, – oberflächlich noch dazu und falsch sentimental. Echte schlechte Feuilletonisten-Literatur. Aber wie verbohrt, wie falsch beobachtend muß ein Mensch sein, der heut noch behauptet, die Juden seien ein Volk. Du und ich, der Rabbi  Bloch und der Jud’, der unten »handeln« schreit – ein Volk! Das ist echt Herzl. So hat er auch die fransischen Dinge angeschaut u. immer unrichtig gesehen. Für mich gibt es eben nur eine Lösung der Judenfrage: daß die Juden schließlich |Alle Christen werden. Jesus ist mir doch der sympathischeste Jude und ich will gern zu seinen Jüngern zählen. . . . . 
Mein Onkel hat nett über »Anatol« geschrieben. Meine Mutter sendet noch folgende Ergänzungs-Kritik:

[handschriftlich Clementine Goldmann:] Das »Abschieds« Souper von deinem Freunde hat uns sehr gefallen – wenn es auch für die stupiden Frankfurter – viel zu fein war.

[handschriftlich Paul Goldmann:] Ostern möchte ich nach Frankfurt fahren, weiß aber noch nicht, woher ich das Geld nehmen werde. Aber ich bin todt gearbeitet und habe ein |heftiges Bedürfniß nach ein paar Ruhetagen. Mit meinen Augen geht es schlecht, sie wollen nicht mehr mit, und ich habe große Sorgen.
Vielleicht schreibe ich Dir den langen Brief doch noch vor den Feiertagen. Wenn nicht: fröhliche Ostern.
Grüß’ Dich Gott, mein lieber Freund
Dein
 Paul Goldmann.
Der Artikel des kleinen Loris in der »Zeit« über Stefan Georges hat mich einfach empört. Stefan Georges ist eine prätentiöse Talentlosigkeit, und der Artikel, abgesehen von dem falschen Urtheil, ist in einem unerhört schwülstigen u. manierirten Styl geschrieben. Ein zweiter Hermann Bahr!
|Gruß an Richard!
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